Janelle Monaé – Dirty Computer
„If you try to grab my pussy/ This pussy grabs you back!“ und „Let the vagina have a monologue!“ Die große Innovatorin des R&B positioniert sich auf Dirty Computer selbst- und vor allem geschlechtsbewusst mit politischer Agenda im Angesicht von #metoo, domestiziert dafür aber auch paradoxerweise die überwältigendes Knalligkeit ihres impulsiven Stilmixes auf ein massentaugliches Niveau.
Freilich gerade mit der technoid überquellenden Konzeptwerk-Wundertüte The ArchAndroid und dem flippigen The Electric Lady (2013) im Rücken eine Frage der Perspektive. Zudem ein eventuell ja schlichtweg auch irgendwo notwendiges Mittel, um die diesmal an sich relativ geerdeten, zeitaktuellen Botschaften der Platte die richtige Reibungsfläche zu geben – und zu sich selbst zu finden.
„Earlier it felt safer to package herself in metaphors…The sanitized android version felt more accepted — and more acceptable — than her true self. The public, she explained, doesn’t really ‚know Janelle Monáe, and I felt like I didn’t really have to be her because they were fine with Cindi.“ gibt Monaé zu Protokoll und hat“a homage to women and the spectrum of sexual identities“ geschrieben, die vor allem auch einen „step into a more authentic self“ für die 32 Jährige Künstlerin bedeutet.
Hinter diesen Zielen ist das den Menschen in den Mittelpunkt stellende Dirty Computer nun eine betont nahbare, griffige und unmittelbar mitreißen sollende Angelegenheit geworden. Eine stilistisch kontrastreiche, aber dennoch stimmige Songsammlung, die den ansatzloser konsumierbaren Weg von The Electric Lady über eine gewisse Reduktion und Zurücknahme noch weitergeht: Die originären Ideen, die megalomanischen Ambitionen und der komplexe Mut passieren auf musikalischer Ebene schlichtweg nicht mehr derart hemmungslos explodierend, der natürliche Wechsel in den Genres geschieht weniger selbstverständlich ineinander fließend, sondern stellt die Einflüsse meist getrennt nebeneinander. Kontemporärer Retrofuturismus marschiert dann über modernen R&B, wird mal mit quirligen Elementen aus Pop, Funk oder Rap angereichert und optisch mit einem wirr-spirituellen Sci-Fi-Überbau inszeniert, der anachronistische Eklektizismus aber nun genormter am Zeitgeist-Status Quo anlegt.
Trotzdem darf im träumenden Titelsong-Opener ausgerechnet Beach Boy–Brian Wilson seine melancholischen Backgrounharmonien beisteuern, während das kompakt feiernde Crazy, Classic, Life trappige Momente mit einer grundlegenden Klasse aufwertet und das treibende Take A Byte schnurstracks auf die verführerische Tanzfläche marschiert, mit seinem kaum fordernden, selbstzufriedenen Chorus auch symptomatisch für die Platte ist: Oft fehlt es dem beherrschten Dirty Computer über weite Strecken auch an den unbedingten Geistesblitzen, dem größenwahnsinnigen Genie, der sehr gute Songs zu atemberaubend herausragenden macht.
Stattdessen zelebriert Monaé quasi im Vorbeigehen mehr oder minder perfekt-unverbindlichen Radio-Sommerpop in Screwed samt Oscar Wilde-Reminiszenz, lässt sich von Grimes für Pynk in die Welt des neongrell schnipsend-flimmernden Minimal-Synthpop entführen, bevor der Instant-Klassiker Make Me Feel die allgegenwärtige Prince-DNA mit zeitlosen Funk-Licks destilliert. Das feministische Django Jane zeigt Monaé dagegen ausnahmsweise als konsequente Rapperin samt heavvy zupackender Bassline. Besser funktionieren da dennoch Beyoncé-Lehrstunden wie I Like That.
Ein unterhaltsamer Reigen mit zahlreichen Facetten also. Etwas weniger Gesamtwerk als seine beiden Vorgänger hat die potente Singleschleuder Dirty Computer dabei auch keinen tatsächlichen Ausfall zu verzeichnen (auch wenn die Bauskasten Pharrell-Nummer I Got the Juice dem nahe kommt und die eindrucksvollen Momente im letzten Drittel generell abnehmen, über kontemplativere Schönheiten wie der The Girl Who Fell Through the Ice-Entschleunigung Stevie’s Dream oder dem ätherisch-betörenden So Afraid aber dafür subtile Anmut herrscht), entlässt nach 49 Minuten mit dem betont ausgelassenen Zeigefinger Americans aber eben auch nicht vollends mit dem erhebenden, auslaugenden und kurzerhand überwältigenden Gefühl, das die Monaé bisher stets evozieren konnte.
Was weniger damit zu tun hat, dass der Rest der Welt mittlerweile dort angekommen wäre, wo die Ausnahmeerscheinung bereits vor Jahren unterwegs war, als dass die musikalische Verortung der Janelle Monaé in konsenstauglicheren Gefilden eben im Umkehrschluss auch zu mehr Alltäglichkeit führt. Eine ambivalente Entwicklung, die Dirty Computer mittendrinn, aber dennoch über der Masse stehen lässt.
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