James Blake – Covers
Bevor James Blake mit wunderbaren Stand Alone-Singles und einer über die Vergangenheit nach vorne blickenden EP bezauberte, vertrieb er sich das Seuchenjahr 2020 mit einer Reihe von Fremdinterpretationen. Seine liebsten davon hat er als Covers noch einmal im Studio eingespielt.
Knapp ein Jahrzehnt, nachdem der Brite mit seiner ikonischen Version des Feist-Schmuser Limit to Your Love Herzen schmelzen und Magengruben erzittern ließ, und in dem Blake seine Formvollendung als das Material anderer Künstler vereinnahmender Ästhet über zahlreiche Verneigungen wie A Case of You oder Vincent auch fortlaufend immer wieder brillant unter Beweis stellte, fühlt sich Covers noch doch auch ein bisschen wie Nachhausekommen an: Ein wohltemperiertes Piano und diese Stimme genügen, um sich große Kompositionen vollends zu eigen zu machen, ohne jedoch die angestammte Identität der Ursprünge zu zerstören.
Der Kern dieser Kunst wird gleich im eröffnenden when the party’s over überdeutlich: Eigentlich müsste eine Adaption des Billie Eilish-Songs, die zwar noch einmal deutlich reduzierter und nackter als das schon so fragile Original daherkommt, ansonsten am Klavier sitzend aber im weitesten Sinne praktisch deckungsgleich agiert, ja absolut redundant sein – siehe etwa zuletzt bei dem über das Ziel schießenden Sleep Token. Doch Blake legt so viel Balance und Gefühl in die tröstende Performance, dass hier sogar ohne eklatante Inspiration, aber viel Liebe ein subtiler Zauber entsteht, der gerade im Kontext einer eher homogenen, denn gleichförmigen EP betörend anzieht.
Ein dezenter Click Track als Beat – die wohl einzige Überraschung jenseits der Erwartungshaltung auf dieser EP übrigens – unter dem Hall und den sparsam angeglittenen Akkorden in (der mutigen Wahl) Atmosphere sind dann (selbst)referentieller Ausdruck des subversiven Verständnises von Joy Division und der eigenen Stärken; die Nummer perlt und bekommt eine unmerklich angezogene schwelgende Dramatik.
Never Dreamed You’d Leave In Summer (Stevie Wonder) bewahrt sich den Soul, transkribiert ihn authentisch, verletzlich und melancholisch zu einer still leidenden Theatralik. Godspeed (Frank Ocean) fühlt sich aus dem ruhigen Klangraum in minimalistischen, so sanften wie kräftigen Farbstichen wohl, gelingt ergreifend, bevor das gehauchte Vibrato von The First Time Ever I Saw Your Face (man assoziiert Roberta Flack mit der Ewan McColl-Nummer) unter die Haut geht.
Am herausragendsten gelingt allerdings When We’re Older, das Original hinter sich lasend: Majestätisch flimmernd hat Blake das Beyoncé-Stück nicht nur mit neuen, zusätzlichen Strophen versehen, sondern spendiert auch einen ambienten Zwischenpart vor einem erhebenden Finale, dessen genialistische Epik mit sakral verträumten Unterton stets dezent bleibt, so jedoch direkt zur Seele zu sprechen scheint. Spektakel ist Covers so freilich keines, vielleicht auch keine besonders originär aufgearbeitete Inspiration. Doch als bescheiden bleibender Zeitvertreib von Herzen eine absolut befriedigende Komfort- und Wohlfühlzone, die einfach zutiefst angenehm und schön inszeniert und am Ende des Jahres 2020 auf leicht auszurechnende Weise so unendlich willkommen ist.
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