Jack White – No Name

von am 8. August 2024 in Album

Jack White – No Name

Rund um den Coup einer medienwirksamen Guerilla-Veröffentlichung hat sich die Kunde wie ein Lauffeuer verbreitet, dass Jack White mit No Name sein bestes Soloalbum überhaupt veröffentlicht hat.

Das liegt auch daran, dass White, indem er mit seinem sechsten Langspieler unter eigenem Namen ohne Vorwarnung so energiegeladen und rau aus der Bluesrock Garage poltert wie nie zuvor abseits seiner Bandpfade, stilistisch tatsächlich relativ ansatzlos an seine White Stripes-Tage anknüpft, und damit auch einen gewissen Nostalgie-Bonus aufwirbelt.
Zwei Dinge, die in diesem Zusammenhang aber vorab richtig zu stellen sind: No Name mag die Attitüde mit den Platten bis Elephant teilen, darf aber nie den selben ungeschliffenen Charme entwickeln – dafür fehlt mehr als alles andere einfach die archaische Simplizität und primitive Wucht von Katalysator Meg, deren essentiellen Input zum Erfolg der Band man heute viel besser wertschätzen kann, als vor zwei Dekade.
Und zweitens kann No Name auch nur dann die beste White-Soloplatte sein, wenn man das mit der Zeit gewachsene Entering Heaving Alive außen vor lässt – zumal die Platten um Boarding House Reach hinsichtlich ihrer Qualität für diese Schiene von Jacks Diskografie die Perspektive auf den Nimbus der Unfehlbarkeit eben auch stark relativiert haben; die Ansprüche subjektiv betrachtet heute also auch ganz andere sind, als vor einem Jahrzehnt.

Was aber alles nicht die Tatsache unter Wert verkaufen soll, dass es einfach großartig ist, wie kräftig und voller Elan White für No Name seine ursprüngliche Wildheit und Impulsivität aufgewärmt wiederentdeckt (!) hat, sogar einen scheinbar direkt gepressten LoFi-Sound nachzustellen versucht, der den straighten (sich von keinen Weirdo-Bemühungen ablenken lassenden) Songs der Platte zusätzlich in die Arme spielt, weil der 49 jährige über verdammt kurzweilige 43 Minuten so wieder zu seinen eigentlichen Stärken zurückgefunden hat.
Wichtiger noch: Diese Wurzelsuche klingt authentisch. Sie erweckt nie den Eindruck, als würde White sich nur deswegen auf seine Basis besinnen, um die ambivalenten Reaktionen auf seine jüngsten drei Alben geradezurücken. Oder, als würde die Kehrtwende einem Anflug von rührselig in Erinnerungen schwelgender Sentimentalität geschuldet sein. Nein, No Name tritt auf, als hätte sein Urheber schlicht und einfach spontan Bock auf dieses Ventil gehabt. Sollte das Kalkül sein, ist es zu keiner Sekunde spürbar.
Die Aufteilung in zwei Seiten (Heaven and Hell auf der einen, Black and Blue auf der anderen) ist insofern die einzige konzeptuell geprägte Entscheidung, die man White diesmal zugestehen muss – und die man beim Hören auch einfach ignorieren kann, weil sich das Material ohnedies nicht derart diametral auseinanderdividiert.

Old Scratch Blues setzt knackig und catchy den Bluesrock-Rahmen des Albums, addiert zu seinem wuchtigen Riffs und der DIY-Ästhetik eine schwindelfreie Orgel, Bless Yourself fetzt danach angriffslustig. Der minimalistisch Basslauf von That’s How I’m Feeling variiert den MO für einen Wave-affinen Postpunk-Vibe und dreht die Verstärker im Chorus bratzend-scheppernd auf: Assoziationen drängen sich, ohne ganz greifbar zu werden. Was schon auch symptomatisch ist. Viele Ideen sind streng genommen nämlich eher generischer Natur – im Kontext aber mit dem nötigen Verve gespielt wird, um näher bei der jugendlichen Sturm-und-Stang-Überschwänglichkeit zu passieren, als in einer abgeklärten Routine.
Deswegen kann auch das skandierende Archbishop Harold Holmes sein 08/15-Riff wie die geilste Sache der Welt klingen lassen und den Spagat zwischen Geschichtsstunde und hungrigem Hit so zwingend schlagen, dass wohl nur das stapfende What’s the Rumpus? ein derartiges Paradestück in Sachen Ohrwurm überholt.

Nachdem It’s Rough on Rats (If You’re Asking) melodisch zurückgelehnt mit fiependem Scheppern schwelgt und Bombing Out eilig zur Optik von Sepultura punkt, fällt das Niveau des Albums (auch aufgrund des irgendwann eben abgegrasten Radius) in der zweiten Hälfte minimal ab – was aber absolut klar geht.  Das Hardrock-Stakkato Tonight (Was a Long Time Ago) zeigt seine Zähne im Demosound höchstens eine Spur zu lange, Number One With a Bullet findet ein klein wenig zu stromlinienförmig auf die Beschleunigungsspur, derweil Missionary nicht über den gelungenen Standard hinauskommt. Kein Thema – das grundlegende Niveau ist ja hoch genug.
Morning at Midnight poltert außerdem dazwischen schmissig  und wirft seine  Gitarre wie Pingpongbälle an die Wand, wohingegen Underground verträumter am Country Rock marschierend mit verspielt jubilierendem Wesen besticht und Terminal Archenemy Endling sich seiner Rolle als Closer in Lauerstellung bewusst ist, dieser Umstand die Attitüde jedoch nur bedingt bändigt. Oder wie White die Dinge auf den Punkt bringt: „How do you feel when you felt it all now?/ And how do you see when you’ve seen it all?/ …/ When I hear your call, it feels like coming home/ Oh yeah, like I’m ten feet tall, and younger than anyone/ At all.“ Sein bestes Soloalbum? Womöglich. Eine essentielle Frischzellenkur für die Karriere aber ganz bestimmt.

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