J Mascis – Tied to a Star
‚Tied to a Star‘ hat im Grunde genommen nur ein einziges kleines Problem: sein Vorgängeralbum. Denn darauf hat J Mascis seine zurückgenommenen Akustikausflüge in gänzlich ähnlicher Gangart einfach noch ein wenig ergreifender und eindringlicher hinbekommen.
Großartige Überraschungen innerhalb eines Projekts sind weiterhin nicht die Sache des weißhaarigen Grantlers: Mascis macht nahtlos dort weiter wo er 2011 aufgehört hat, verlässt sich auf ‚Tied to a Star‚ abermals nahezu vollends auf seine Stimme und reduziert in Szene gesetzte Gitarren; auf wunderbar weich ausgebreitete Songs, die schon beim Erstkontakt auf regelrecht magische Weise in die Arme nehmen, etwas allzeit bekanntes, tröstendes haben. Gleich das eröffnende (kaum wahrhaftiger zu betiteln gewesende) ‚Me Again‚ hat deswegen etwas von nachhausekommen. Der 48 jährige ist längst nicht nur ein berauschender Techniker, sondern ein formvollendeter Songwriter, dem die leisen Töne auf zeitlose Art in die Karten spielen: ‚Tied to a Star‚ strotzt wieder vor diesen intimen Momenten unaufgeregter Emotionalität, die derart niemand sonst hinbekommt, die sich direkt an die Seele schmiegen.
Freilich ist also alles Jammern hier ein solches auf hohem Niveau. Weil eine der ganz wenigen doch stattfindenden Überraschungen von ‚Tied to a Star‚ die ist, wie grandios und konstant Mascis das alles wieder scheinbar ohne jedwede Anstrengung aus den Ärmeln schüttelt. Eine andere ist, dass sich die neue Solplatte des Wundergitarristen nach und nach doch deutlich weniger als ein reines Da capo, denn als willkommene Fortseztzung zu ‚Several Shades of Why‚ mit wohldosiert eingeflochtenen Zusätzen zu erkennen gibt.
Durch das folkrockig-euphorische ‚Every Morning‚ rumpelt tatsächlich ein leichtfüßig angetriebenes Schlagzeug, was dem ganzen noch mehr die Aura einer zurückgenommenen Akustikinterpretation der schrammelnden Akustikversion von Dinosaur Jr. verleiht. Auch in dem lieblich dargebotenen, eigentlich wieselflinken Lagerfeuerflirt ‚Wide Awake‚ (mit Cat Power) lodert ein kurzes Drumset auf, ‚Trailing Off‚ zieht dann immer wieder das Tempo an und poltert von einer fiebrigen E-Gitarre befeuert immer wieder verhältnismäßig energisch drauflos. Dabei wird der Noise-Verstärker wie in ‚Stumble‚ ansonsten nur auf Sparflamme eingeschalten. Ausbrüche erfolgen dafür in ‚Heal The Star‚ und dem instrumentalen ‚Drifter‚ in Richtung Orientalik: plötzlich tänzelt Mascis feinfühlig durch eine unnebulöse Psychedelik und ringt ‚Tied to a Star‚ bzw. seinem Soloschaffen damit doch recht noch eindeutige neue Facetten ab.
Gerade in diesen Ausflügen kreiert Mascis auch die stärksten Phasen seines neuelichen Alleingangs: immer wenn ‚Tied to a Star‚ zu nahe an seinem stilistisch den Weg vorgebenden Vorgänger heranzureichen versucht (also vor allem in der zweiten Hälfte) stellen sich leichte Ermüdungserscheinungen und auch Längen ein: etwa wenn ‚Come Down‚ zwar nach drei Minuten Spielzeit kurz mit Schwung durchgelüftet wird, darumherum aber mit repetitiven Gezappel und stillem elektrischen Braten im Untergrund allzu monoton hüpft. Dann hat es nämlich den Anschein, dass Mascis durchaus gut daran getan hätte öfter von der Basis seines Soloschaffen hinauszuschwimmen – denkt man sich…und dann umarmen „typische“ Songs wie ‚And Then‚ oder ‚Better Plane‚ plötzlich doch mit einer solchen Schönheit, einer solch in sich ruhenden Gelassenheit, dass man da ruhig von Nick Drake bis Beck allerhand Nahverwandte in das Referenzrennen schicken kann, nur um abermals festzustellen: Mascis misst man nur an ihm selbst. Und die Erwartungshaltung, dass er mit jeder Platte die Sterne vom Himmel holt hat er nicht zuletzt selbst kreiert. Einigen wir uns also darauf: ‚Tied to a Star‚ gelingt dies marginal weniger gut als ‚Several Shades of Why‚. Aber wer würde das Mascis bei einem derart bezaubernden Spaziergang durch seine patentierte Melodienwelt auch nur ansatzweise über nehmen?
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