Iron & Wine – Archive Series Volume No. 1
Sam Beam weiht sein neues, eigenes Label Black Cricket Recording Co.standesgemäß ein, indem er den ersten Teil einer Reihe von Outtake-Sichtung auf vertiefende Spurensuche in die Vergangenheit zu den Anfängen seiner Karriere schickt.
Welches Potential in unter Bettgestellen und alten Schränken vergessenen Songs liegt, das hat sich Beam wohl anhand der B-Seiten- und Raritätenkollektion ‚Around the Well‚ selbst vor Ohren geführt. 16 Songs oder satte 62 Minuten lang ist ‚Archive Series Volume No. 1‚ nun also keineswegs als reguläres Studioalbum des 40 jährigen Amerikaners zu hören, sondern als stöbernde Lupenansicht auf die Prä-Sub Pop Jahre, als ‚The Creek Drank the Cradle‚ und ‚The Sea and the Rhythm‚ erst im Entstehungsprozess begriffen waren.
Damals brauchte es nicht mehr als Beam und eine in sich gekehrte Akustikgitarre, hier und da ein leises Banjo-Aufflammen vor dem Homerecording-Rauschen oder eine wärmend gedoppelte Stimme im Hintergrund, um eine tröstende, intime Atmosphäre von erstaunlich beruhigender Sogwirkung zu kreieren, in der Beam selbst sein Organ nie über einen verletzlich wispernden, bedächtig gehauchten Gesang erhebt, mit seinen leisen Kompositionen verschmilzt und inmitten melancholischer Beobachtungen („This clock’s beautiful but can’t keep time„) mit biblischer Zuversicht die Schwere des Lebens skizziert: „Heaven as a distance not a place„.
In den Sphären zwischen Sufjan Stevens und The Low Anthem braucht es da auch im Kontext über die gesamte Spieldauer gar keinen zwingenden Spannungsbogen oder großartigen Variantenreichtum (denn unter anderen Umständen würde gelten: weniger Spielzeit wäre an sich mehr; so aber ist jeder Augenblick ein kleiner, beinahe unscheinbar strahlender Genuss). Von derartigen Erwartungen spielt sich die Compilation aber ohnedies rein durch ihre Outtake-Hintergrundgeschichte frei, weswegen auch der etwas sprödere, digital aufgebesserte Kassettencharme (High-End-Lo-Fi, wenn man so will) durchwegs stimmig ins Bild passt.
Genau genommen hält sich damit der tatsächliche, essentielle Erkenntniszuwachs für Beamologen anhand dieser ersten Archivsichtung zwar an sich in Grenzen, allerdings vordergründig auf durchaus erfreuliche Weise. Unterstreicht sie in einem Fluss der gleichförmig plätschernden Schönheiten doch auch ohne markant hervorstehende Einzelstücke (da darf man natürlich auch fragen: was bringt einen dazu ein ‚Postcard‚ auszusortieren?) die Tatsache, dass Beam bereits in seiner Anfangsphase ohne jedwede Mühen tief unter die Haut gehenden, minimalistischen Gefühlsfolk aus dem Ärmel schüttelte; und dass die vermeintliche Ausschussware dem regulär veröffentlichten Material deswegen praktisch auch in kaum einer Weise nachsteht.
Freilich bleibt ‚Archive Series Volume No. 1‚ trotzdem – oder gerade deswegen – in erster Linie Zusatzaufgabe für detailinteressierte Langzeitfans, kann mit seiner unaufdringlich betörenden Anmut aber auch als alternativer Startpunkt für Neuankömmlinge verstanden werden. So oder so: nicht jedem Künstler schmeicheln derartige Archivsichtungen (für den Fan geradezu eine flüsternde Zeitkapsel!) in diesem Ausmaß.
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