Interview: Koji
Andrew Koji Shiraki alias Koji hat im Mai sein langerwartetes Debütalbum ‚Crooked In My Mind‚ vorgelegt und ist derzeit als Supportact von Into It. Over It. durch Europa unterwegs. Klaus Zwinger hat sich vor dem Tourstop in der Wiener Arena mit dem Singer-Songwriter und umtriebigen Aktivisten getroffen, um sich über die aktuelle Tour, zahlreiche soziale Engagements und etwaige Zukunftsmusik zu unterhalten.
HeavyPop: Wie läuft die Tour soweit?
Koji: Die Tour läuft exzellent, sie ist fast vorbei. Ich bin nicht wirklich müde, weil ich den ganzen Tag geschlafen habe. Gestern sind wir von Berlin weggefahren, weil wir unsere Show dort am Donnerstag absagen mussten, also haben wir Freitag Pläne gemacht um gestern zu spielen, und es war eine unsere besten Shows der Tour. Und das alles ist last minute geschehen.
Ihr habt also alles umgeplant?
Yep. Und wir waren in diesem wirklich intimen Club, den Einlass übernommen, den Timetable gemacht, und einfach gespielt. Da war kein Druck, also glaube ich, dass alle wirklich frei von der Leber weg gespielt haben, und es hat sich einfach wirklich gut angefühlt. Zu touren hat etwas wirklich reglementiertes und routiniertes, und einfach so mal zu improvisieren – ich glaube auch, das kommt davon, dass wir alle aus der US DIY-Punkszene kommen, wo man einfach improvisieren und Probleme lösen muss, da kommt das beste dabei raus. Letzte Nacht also war eines der besten Sets von uns allen, weil wir einfach wirklich getrieben haben es zu einer guten Erfahrung zu machen, eine positive Perspektive zu behalten und einfach allen eine gute Zeit zu bescheren.
Wir näherten uns also dem Ende der Show, und es war wirklich etwas besonderes, weil es um Mitternacht galt Tom von Slingshot Dakota’s Geburtstag zu feiern, und alle Leute im Club haben mit uns getrunken und Happy Birthday gesungen, es war einfach toll. Es war wie in einem Traum, wenn es heißt „Oh, der Van ist zusammengebrochen, wir sind von der Polizei durchsucht worden, und in der Stadt gestranded, mussten Thanksgiving an einem Ort feiern, an dem niemand Englisch spricht, und dann mussten wir eine Show spielen, und für diese dann eine zur Wiedergutmachung an unserem freien Tag, und wir mussten alles selbst machen, und am Ende der Show hatte Tom Geburtstag, und alle haben gesungen.“ Wie in so einem Film im Leben. Es war toll.
Wegen Thanksgiving: was habt ihr dann an diesem Donnerstag gemacht, als ihr die Show nicht spielen konntet?
Into It, Over It und ich waren in so einem 50er American Diner und hatten Cheeseburger, und keiner dort sprach Englisch, das war super: in einem American Diner voll Deutscher zu sein, die einem an Thanksgiving Cheeseburger servieren, am amerikanischsten aller Tage. Wir haben noch online ein bisschen Football geguckt, einfach um uns noch mehr zu Hause zu fühlen, und jeder von uns hat die Familie kontaktiert, es war echt nett. Es war mein ersten Thanksgiving weg von zu Hause, was wirklich cool war. Ich hab meine Familie vermisst, und hatte auf eine gute Art Heimweh, es ist so gut eine Familie zu haben, Menschen die man liebt. Also auch wenn ich nicht bei ihnen war, die Möglichkeit einfach über dieses Geschenk nachzudenken war wirklich schön.
Du hast „Crooked in my Mind“ Ende April veröffentlicht. Wie siehst du das Album aus heutiger Perspektive?
Darüber habe ich viel auf der Tour nachgedacht. Das ist meine erste Solotour mit der Platte, ich finde mich langsam damit ab, wie dieser Abschnitt meines Lebens verlaufen ist. Damit wie schwierig der Prozess war und mit den… Schmerzen die man durchmacht. Als junger Erwachsener aber auch als jemand der in der Musik arbeitet. Ich denke also darüber nach wie dunkel die Platte ist, und auch darüber das einige Menschen etwas besorgt waren als sie rauskam, es ist nämlich wirklich eine düsterere Platte als ich ursprünglich dachte. Also rückblickend würde ich nun sagen, dass es wirklich wichtig war diese Zeit so anzunehmen, und mich selbst dort sein zu lassen. Und das ist das tolle an Musik, wir können die Zeit damit verbringen wie wir sie gerade brauchen, um zu wachsen, und damit fertig zu werden. Und das ist für mich und für die Menschen die zu meinen Shows kommen wirklich wichtig, in Ordnung zu sein. Und auch wenn ich auf dieser Tour auf der Bühne stehe ist es als wäre ich zu Hause – ich gehe an den meisten Tagen der Woche zu Shows, einfach nur in der Umgebung von Musik zu sein, so wie andere Leute sich bewegen müssen um zu denken, Sport machen müssen, tanzen müssen, allein sein müssen. Ich brauche Musik um zu denken. Ich wachse also immer weiter an dieser Platte, was wirklich aufregend ist. Ich weiß, ich habe etwas gemacht das ich bin, und nicht für irgendjemand anders. Ich meine, ich habe die Platte für die Leute veröffentlicht, aber sie zu schreiben und aufzunehmen war wirklich reflexiv. Ich lerne also immer noch. Meistens, wenn man einen Song schreibt, weiß man nicht wirklich was er bedeutet. Man muss ihn wieder und wieder spielen, und viel darüber nachdenken.
Du hast deine neueste EP „Matters“ schon vor zwei Jahren aufgenommen, bevor du überhaupt angefangen hast „Crooked in my Mind“ zu schreiben. Warum veröffentlichst du sie jetzt?
Ich dachte es wäre nett, das ist meine erste Solotour seit letztem Winter. Ich habe einfach Aufnahmen die ich nie jemandem präsentiert habe. Meine Arbeit ist, im Gegensatz zu manch anderen, sehr persönlich, und ich habe keine Eile sie den Leuten zu zeigen, und jetzt war ich bereit die Menschen diese Songs hören zu lassen. Die EP ist vor über zwei Jahren aufgenommen worden, die ersten Aufnahmen mit Will Yip im Studio Four, und es hat sich einfach richtig angefühlt. Und ich schreibe vieles, das ich den Menschen vorenthalte. Ich habe Schwierigkeiten die Songs auszuwählen die ich veröffentliche, weil ich manchmal einfach nicht bereit bin sie gehen zu lassen, weil ich noch damit beschäftigt bin. Ich möchte nicht hören was die Leute dazu sagen, und ich möchte sie nicht spielen, weil ich nicht wieder damit anfangen möchte. Und ich denke, wenn ich endlich damit im Reinen bin wo ich mich grade mit dem Song befinde, dann lasse ich los. Fast als ob ich mich davon befreien würde.
Einige deiner Freunde haben bei den Aufnahmen zum Album geholfen, und trotzdem ist es sehr auf dich fokusiert. Wie kommt das?
Matt von Balance and Composure, Ned von Title Fight, Brad von La Dispute, der auf dem kompletten Album Schlagzeug gespielt hat, Colin von Gypsy, und noch ein Haufen anderer Künstler sind teil davon. Das sind die Art von Musikern die wissen, wie sie einem Song dienen können, und ich komme eher als Songwriter zu den Leuten, um die Möglichkeit zu haben mit so talentierten und disziplinierten Menschen arbeiten zu können, sie wissen wirklich wie man sich einen Song anhört, und das zeigt sich. Ich war so geehrt mit guten und so talentierten Freunden arbeiten zu können. Sie spielen extrem gut weil sie so hochklassige Musiker sind, und in einem gewissen Maße war diese Platte außerhalb unserer üblichen Spielfelder, meine erste Soloplatte und das erste mal, dass sie an derartiger Musik gearbeitet haben. Man denkt daran wie Balance and Composure, Title Fight, Gypsy, La Dispute… wie all diese Bands klingen, das hier hat nichts damit zu tun. Es ist wie nichts was in der Landschaft unserer Szene stattfindet. So etwas völlig anderes war für alle ein ziemlicher Spaß. Wie haben viel daraus gelernt, und es war wirklich toll es als Freunde zu machen.
Planst du beim akustischen Sound von „Crooked in my Mind“ zu bleiben?
Ich werde nie die selbe Platte zweimal machen. Und wenn, dann weil ich das so möchte. Aber ich glaube ich werde immer einfach schreiben und aufnehmen und auftreten wie ich mich gerade fühle und wovon ich inspiriert bin. Die Leute die ich auf Tour treffe, die Kultur und Natur die ich erfahre, alles was die Welt so zu bieten hat, all das werde ich in meine Arbeit einfließen lassen. Wie sich die Welt also verändert, und wie ich mich verändere, so wird sich mein Sound verändern. Und ich freue mich darauf. Das ist vielleicht das angenehmste daran Musik zu haben, sie ist fast wie eine Karte davon wie ich herangewachsen bin, und das ist besser als jedes Fotoalbum das ich besitze.
Gibt es konkrete Pläne für zukünftige Veröffentlichungen?
Ich bin nach Hause gekommen, und ich habe einen Haufen an Material. Als meine Tour durch die Staaten im Sommer zu Ende war, hab ich mir einen Monat frei genommen, bin ins Studio und habe Demos zu vielen Songs aufgenommen. Was von hier an passiert weiß ich nicht. Ich habe viele neue Songs. Ich glaube was mit mir nach „Crooked in my Mind“ passiert ist, ist das ich mir keine Sorgen mehr darüber mache Platten zu veröffentlichen. Der schwere, erste Teil ist vorüber, und ich habe keinen Druck mehr irgendetwas außer neue Dinge zu schaffen zu machen. Nicht jeden Tag, denn hier und jetzt sitze ich hier mit dir. Ich weiß die Kunst ist wo mein Herz ist, und das ist wo ich bleiben möchte.
Du bist aktiv bei Colormake, was ist dort seit der Gründung 2007 passiert?
Colormake ist eigentlich was ich und meine Freunde machen um Projekte miteinander zu starten, sei es künstlerisch oder aktivistisch, und im Moment machen wir uns fertig einige neue Projekte zu starten, und ich glaube ihr werdet in der Zukunft einiges von uns zu sehen bekommen. Über die letzten Jahre hatte ich die Ehre mit einigen großartigen Organisationen wie Humility Now oder Resolve an Themen wie Obdachlosigkeit oder Kindersoldaten in Afrika zu arbeiten, oder Essen auf Rädern im Rahmen von Konzerten in Pennsylvania zu veranstalten, einfach um das Bewusstsein zu steigern und etwas Geld und Essen für die hungrigen Menschen in unserer Gemeinschaft aufzutreiben. Es war immer die Idee das wir in der Musik so etwas wie Schüler des Klanges sind, und das hat eine ziemliche Bandbreite, seien es verschiedene Tonleitern die verschiedene Emotionen hervorrufen, oder laute und leise Dynamik – in der Fotografie ist es das Selbe, mit hell und dunkel, es gibt eine Bandbreite. Und mit Verantwortung ist es für mich genauso, das geht von persönlicher Verantwortung bis hin zu globalen Angelegenheiten, und ich fordere die Leute auf sich auf all diesen Ebenen einzusetzen, weil ich glaube das es möglich ist, und den Menschen zeigen will dass man den Unterschied ausmachen kann, im eigenen Herz, für die Leute in der Gemeinschaft, und für Leute auf der ganzen Welt. Man muss sich einfach die Zeit nehmen. Und die Belohnung dafür, dass man anderen Leuten zu helfen versucht, die Belohnung ist etwas das viel besser als jeglicher Reichtum den man anhäufen kann. Viel besser als jeder Status. Wir sind nicht durch unsere Titel oder den Haufen an Zeug den wir besitzen definiert, wir definieren uns durch unsere Taten und Worte, und dadurch unsere Bestimmung zu verfolgen. Ich möchte die Menschen dazu auffordern bewusst zu sein, aktiv zu sein und wirklich tätig zu werden. Das war die große Lehre die ich aus meiner Jugend gezogen habe, ich ging zu Shows, hörte Punk- und Hardcorebands sagen, dass man das auch kann, eine Band starten, die eigenen Shows veranstalten, seine eigenen Fanzines rausbringen, sein eigenes Merchandise produzieren, einfach alles zu machen was man im Kopf hat, den Traum leben. Und es muss nicht nach dem Maßstab der Gesellschaft laufen, die einem sagt was erfolgreich ist. Erfolg ist mehr im Moment zu leben, und Möglichkeiten zu ergreifen die direkt vor einem sind, und sich zu Nutze machen, dass man ein autonomes Lebewesen ist. Du hast Freiheit, du hast Kraft, und wenn man sich dessen bewusst ist, kann man dieses unendliche Potential das man hat erreichen.
Nachdem du so involviert in Aktivismus und NGOs wie The Voice Project oder Resolve bist, denkst du du könntest einmal in Betracht ziehen Politiker zu werden?
Alter, ich glaube nicht, dass ich dafür gemacht bin! (lacht) Es kommt nicht darauf an, was meine Rolle ist, ich werde immer für Friede und Gerechtigkeit einstehen. Wenn ich also künstlerisch tätig bin, fotografiere, zeichne, male, wenn ich singe, oder wenn ich ehrenamtlich arbeite, wenn ich einfach nur Konversation führe, glaube ich, ich werde immer mein bestes tun für Friede, Gerechtigkeit und Liebe für alle Menschen einzustehen. Wer weiß also? Würdest du mich wählen?
Naja, wenn ich könnte! (lacht)
Klasse, vielleicht kandidiere ich hier!
Abschließend noch ein paar Sätze zum vervollständigen:
Der Song den ich am liebsten live auf Tour spiele ist…
…’Pang and Flash‘
Der Song der mir dafür wirklich schon auf die Nerven geht ist…
…nicht existent!
Mein liebster Into It, Over It-Song ist…
(fragt Tom von Slingshot Dakota) …ist es ‚Upstate Blues‘, heißt der so? (beginnt zu singen) Ja, das ist er – ‚Upstate Blues‘!
Im Tourbus verbringe ich die meiste Zeit mit…
…wow, auf dieser Tour ist das eine ganz schöne Bandbreite an Erfahrungen! Ich nehme schlafen!
Mein heimlicher Lieblingssong 2013 ist…
…nicht wirklich heimlich, aber ‚Hold On, We’re Going Home‘ von Drake. Ich mag die Platte nicht, aber das ist meine liebste Single aus diesem Jahr.
Eine Platte auf die ich 2014 wirklich freu ist…
…alle neuen Platten von meinen Freunden.
Ich schreibe Songs, weil…
Ich schreibe Songs damit ich behaupten kann, ich wäre hier.
Und deine fünf liebsten Platten aus 2013:
Kanye West – ‘Yeezus‘
Paint it Black – ‘Invisible‘
Savages – ‘Silence Yourself‘
Daylight – ‘Jar‘
Sigur Ròs – ‘Kveikur‘
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