Interview: Alcest
Das französische Duo Alcest hat mit seinem vierten Studioalbum ‚Shelter‚ jüngst eine gehörige Kurskorrektur vorgenommen: noch weiter weg von den Black Metal-Ansätzen der Vorgängeralben, hin zu einem postrockigeren, poppigeren Shoegaze-Sound. Vor dem Wien Gastspiel am 17. Jänner 2014 hatte Schlagzeuger und Les Discrets-Musiker Winterhalter ein wenig über diese Umbrüche zu erzählen.
HeavyPop: Wie geht’s dir?
Winterhalter: Mir geht’s gut! Ich bin schon aufgeregt auf den Beginn der Tour und die erste Show.
Ihr seid schon zum fünften Mal in Wien, stimmt’s?
Ja, ich glaube schon, wir haben schon oft in Wien gespielt. Das letzte Mal war glaube ich 2012 mit Katatonia, das war echt ein guter Auftritt.
Euer neues Album ‚Shelter‚ wird offiziell am 21. Jänner veröffentlicht, was in 4 Tagen ist, nichtsdestotrotz haben es schon viele Leute aus dem Internet runtergeladen – was ist eure Sicht bezüglich Leaks oder Online-Piraterie generell?
Wir haben bislang 2 Songs offiziell veröffentlicht, ‚Opale‚ und ‚Dèlivrance‚, und ein paar Wochen danach ist das komplette Album ins Internet geleaked. Die Leute hören es sich also schon an und dementsprechend bekommen wir auch schon ein paar Rückmeldungen. Es ist immer schwer und ein großes Risiko wenn man ein Album veröffentlicht, das so anders ist als das, was man bislang veröffentlicht hat, aber das Feedback ist bislang größtenteils positiv.
Nachdem ihr euren Stil mit dem neuen Album ja ziemlich verändert habt, glaubt ihr, dass damit auch andere Leute zu euren Konzerten kommen werden?
Wir werden sehen. Als wir die Lieder für das neue Album geprobt und geschrieben haben, haben wir uns entschlossen, dieselbe Musik zu machen, bloß mit anderen Werkzeugen. Auf den früheren Alben haben wir eine Menge Metal-Werkzeuge verwendet, wie Blastbeats, Screams und heftige Verzerrung, aber wir wollten nicht immer und immer wieder dasselbe Album machen. Wir versuchen immer etwas anderes zu machen, was uns eben Spaß macht. Momentan versuchen wir uns mit Alcest etwas mehr in die Rock/Indie-Rock Richtung zu bewegen, vielleicht sogar etwas Soundtrack-mäßiges zu machen. Das wird einigen Fans unserer älteren Werke bestimmt nicht gefallen und sie werden sich die neuen Sachen vielleicht auch nicht mehr anhšren, weil es zu soft oder schlicht zu anders ist, aber vielleicht entdecken auch neue Leute unsere Musik, man wird sehen. Für uns ist es immer noch dieselbe Musik, dieselbe Band. Und vielleicht kommen die verzerrten Gitarren auf dem neuen Album zurück, wer weiß. Im Moment machen wir bloß was uns gefällt und wir geben dabei unser bestes.
‚Shelter‚ klingt wirklich optimistisch und strahlt Hoffnung aus, habt ihr euch während des Schreibens auch immer so gefühlt?
Ja, es gibt mehrere glückliche Songs darauf, wie zum Beispiel ‚Opale‚. Island hat uns sehr inspiriert, wir haben das Album dort in Sigur Ròs Sundlaugin Studio mit ihrem Produzenten Biggie aufgenommen. Das Studio ist Wahnsinn, es ist im Prinzip ein alter Swimmingpool, die Stimmung war echt passend. Das Land selber ist ebenfalls unglaublich – die Landschaften sind… es ist, als ob man auf einem anderen Planeten wäre. Während des Aufnehmens waren wir ziemlich abgeschirmt, wir sind davor aber viel herumgereist und wurden sowohl von der Landschaft als auch von den Leuten beeinflusst. Als wir die Lieder noch geprobt haben, wurde uns klar, dass wir dieses Album in einem anderen Studio aufnehmen wollten, und deshalb haben wir uns an Biggie gewandt. Mit seiner Hilfe haben wir einen organischeren Sound mit vielseitigerer Instrumentierung geschaffen. Unter anderem haben wir ein Piano, ein Vibraphon und auch Streicher verwendet. Für letzteres sind uns die Mädels von Amiina zur Seite gestanden, welche auch schon die Streichinstrumente bei Sigur Ròs gespielt haben. Es war eine Wahnsinnserfahrung tatsächliche Streicher zu haben, es klingt einfach um so viel besser als aus einem Computer.
Auf dem Song ‚Away‚ habt ihr mit dem ehemaligen Slowdive Sänger Neil Halstead zusammengearbeitet – kannst du mir ein wenig über die Zusammenarbeit erzählen und wie es dazu kam?
Es war eine tolle Erfahrung. Speziell für Neige, weil er ein riesiger Fan von Slowdive ist und seine Musik auch nach wie vor von der Band beeinflusst wird. Wir haben Neil einfach gefragt und als er seine Zusage gab war Neige natürlich überglücklich. Als Neil den Gesangspart aufgenommen hat war er sehr gerührt, zu sehen wie eines seiner Idole auf einem Song von ihm singt. Also ja, es war eine tolle Erfahrung und wir hatten eine wirklich gute Zeit.
Ihr habt schon Mitte 2013 angekündigt, dass das neue Album keine Metal-Elemente mehr beinhalten wird – ab wann wurde es für euch klar, dass ihr in diese Richtung gehen wollt?
Wir haben schon an ‚Shelter‚ gearbeitet, als das vorige Album ‚Les Voyages De L’Âme‚ gerade erst erschienen ist. Wie ich schon vorher erwähnt habe wollten wir etwas anderes machen und nicht immer dasselbe. Schon als wir mit dem Schreiben der neuen Lieder begonnen haben, galt die Regel keine Double Bass und keine Blast Beats am Schlagzeug, weniger Verzerrung, viele Gitarrenspuren und viel Reverb auf der Gitarre, also tendierte das Ganze ziemlich in Richtung Shoegaze, und so hat das angefangen.
Auf früheren Alben hattet ihr immer 1 oder 2 englisch betitelte Songs, nun ist auch der Albumtitel in englisch gehalten – wie das?
Wir haben darüber nachgedacht, ob der Albumtitel besser in englisch oder in französisch klingen würde – und wir haben uns letztendlich für englisch entschieden.
Was wäre der Titel auf französisch gewesen, Refuge?
Ja, genau. Und Island war für uns eben ein Platz der Geborgenheit, ein „Shelter„. Alcest hat sich auch ein wenig verändert und es fühlte sich einfach richtig an, ein Album mit einem englischen Titel zu veröffentlichen. Es ist fröhlicher als die anderen, und wenn du einen üblen Tag hast und dich nicht gut fühlst, kannst du es vielleicht auflegen und fühlst dich danach besser. Es steckt eine Menge Bedeutung in dem Albumtitel.
Ist der Stil auf ‚Shelter‚ etwas, das ihr auch in Zukunft verfolgen wollt oder habt ihr schon etwas neues geplant?
Wir haben angefangen 4 neue Songs zu proben und die sind etwas anders. Wir haben ein paar Demos, arbeiten immer noch an den Songstrukturen und schieben viele Sachen herum, wir sind also noch mitten im Entstehungsprozess. Aber ich denke auf ‚Shelter‚ haben wir etwas versucht, und dadurch, dass es das erste Mal war, dass wir etwas in dieser Richtung gemacht haben, gibt es dementsprechend auch ein paar kleine Fehler, dafür aber auch viele großartige Ideen. Ich denke auf dem nächsten Album werden wir die Dinge wieder etwas anders sehen, wir versuchen auf alle Fälle unser bestes.
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