Interpol – A Fine Mess
Mit Marauder haben Interpol ihre bisher redundanteste Visitenkarte aufgenommen. Die auf A Fine Mess nachgereichte Ausschussware hätte daran wenig geändert, das sechste Studioalbum der New Yorker allerdings substantiell doch dezent aufwerten können.
Essentielle Überraschungen halten die fünf nun auf EP-Länge versammelten, bisher unveröffentlichten Songs freilich nicht parat – sie bewegen sich ästhetisch parallel zu Marauder. Soll auch heißen: Sie sind formelhaft am Signature Sound gestricktes Interpol-Malen-nach-Zahlen, das phasenweise wie ein Copy/Paste-Flickwerk aus Passagen alter Songs anmutet. Die dabei gezeigte souveräne Zuverlässigkeit und instrumentale Knackigkeit muss die Platte durch die ermüdend umpackende, kaum jemals wirklich emotional zwingende Performance von Paul Banks unter Wert verkaufen: A Fine Mess klingt gerade auf den Erstkontakt und bei beiläufiger Konsumation wie Interpol-Standard auf generischem Autopilot.
Mit ein bisschen Abstand (und gerade dem Blick auf die doch sehr detailreich ineinander ziselierte Kommunikation der beiden Gitarren gerichtet) hat die Resteverwertung im gefühlten Fahrwasser von Antics dann aber doch genügend Grower-Qualität, um die anhaltend Unterwältigung weitestgehend aufzuwiegen und auszugleichen, dass Interpol sich kreativ längst in einer Sackgasse der Trademark-Austauschbarkeit verrannt haben – das nominelle Trio kann kaum noch herausragende Hooks, Melodien oder Texte im Langzeitgedächtnis festsetzen, kennt jedochseine Stärken.
Am charakteristisch aufzeigendsten macht seine Sache diesbezüglich noch der eröffnende Titelsong, der zugegebenermaßen mit mehrmonatiger Vorlaufzeit auch am meisten Raum bekommen hat, um sich zu setzen und zu zünden. Wie Fine Mess gerade als Opener mit seiner fast schon hysterisch gegen den Strich aufbrausenden Gitarren mit der Tür ins Haus fällt und später noch die spacig funkelnden Synthies in den Vordergrund rückt, zudem endlich wieder erkennbare Bassläufe hofiert und den Postpunkt nicht ohne Dringlichkeit artikuliert, funktioniert dann aber auch im Kontext wunderbar impulsiv und erinnert gar daran, dass Bloc Party ja als Vorband von Interpol begonnen haben.
Einer gewissen gefälligen Beiläufigkeit anheim fallend kann die EP dieses Niveau zwar nur bedingt halten, doch hätten die restlichen Songs durchaus das Potential, noch stärker abzuliefern.
No Big Deal gibt sich entschleunigter, lässt Interpol zu augenzwinkernden Texten beinahe leichtfüßig dem Sommer von „the stripclub to the beach“ entgegenschunkeln – doch wirkt die Inszenierung symptomatisch für die ganze Performance, als würden Interpol einzuschlafen drohen, sich an die bisslose Intonierung von Banks anpassen, der teilweise nur noch ein Schatten seiner einstigen Präsenz ist. Wenn die legere Nummer mit bedeckten Streichern in die hymnische Breite zu ziehen gedenkt, läuft sie deswegen auch eher Gefahr, enervierend zu mäandern.
Das nichtsdestotrotz sehr feine Real Life packt danach den Not Even Jail-Drive aus, kann aber ohne unbedingte Hingabe eben auch nicht den Druck aufbauen, um schon auf Tonträger intensiv genug zu kurbeln, bleibt nebensächlich überzeugend. Wieder stellt sich hier deswegen auch die Frage, ob Dave Fridman der richtige Mann ist, um Interpol zu produzieren – den nötigen rockigen Arschritt aus der Komfortzone konnte er jedenfalls definitiv nicht verpassen, die PS des Songwritings effektiv akzentuiert auf den Boden bringen ebenso wenig, und die schillernde Farbpalette, die er sonst vielen seiner betreuten Projekte verpasst, bleibt hier ebenfalls blass.
Wie toll hätte das ohnedies starke The Weekend beispielsweise noch werden können, wenn der nostalgisch-wehmütig flanierende Pop-Groove (in den die Nummer nach dem stampfenden Täuschungsmanöver zu Beginn letztendlich verfällt) noch stärker und überschwänglicher hervorgehoben worden wäre, die Band ein bisschen Contenance abgeworfen und sich hätte gehen lassen? Wie sehr würde das schwerfällig polternde Thrones an Statur gewinnen, wenn das kompakt quietschende Grundriff nicht derart in der Gleichförmigkeit des immer auf einer Ebene bleibenden Sounds verankert bleiben würde, und ein paar individuell markante Charakteristiken und prägnante Eigenheiten für Akzente innerhalb des arrangementechnisch nüchternen Kontextes sorgen würde?
Wegen Entscheidungen wie diesen wirkt es auch anhand von (dem Marauder minimal überholenden) A Fine Mess so, als hätten Interpol ihr inspirationstechnisches Potential weitestgehend verschossen und würden sich (zumindest mit Fanbrille ohne Redundanz) weiterhin auf eine soliden Verwaltung ihres eigenen Erbes konzentrieren. Was angesichts der hohen Grundqualität der Band nicht nur die Basis der Fanmassen zufrieden stellen sollte, abseits davon aber vor allem auch frustrieren kann. Ganz abhängig davon halt, welche Ansprüche man an Interpol stellt.
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