Infant Island – Collections 1

von am 20. Juni 2020 in Compilation

Infant Island – Collections 1

Extras, remixes, rarities, and demos from between 2016 and June 2020“: Die 2020 stattfindenden Infant Island-Festspiele gehen mittels der Compilation Collections 1 nahtlos weiter.

Die Band aus Fredericksburg scheint sich mit Beneath und mehr noch Sepulcher ja ausgerechnet über eine markantes Erweitern aller Perspektiven über den Screamo-Horizont hinaus (auch in neuformierter personeller Besetzung) selbst gefunden zu haben. Da macht eine demonstrativ hintennach geschobene Zäsur in Form einer zusammenfassende Sammlung aller auf dem Weg dorthin stattgefunden habender Fußnoten also durchaus Sinn.
Wenig überraschend funktioniert Collections 1 ohne übergeordneten Spannungsbogen als Sammelsurium für die Evolutionsforscher unter den Fans der Band dabei durchaus interessant, indem sie einige Entwicklungen aus jüngster Vergangenheit noch nachvollziehbarer macht – und auch die Rollenverteilung innerhalb von Infant Island transparenter erscheinen lässt.

Der Einstieg in die Compilation erfolgt dabei jedoch noch vergleichsweise konservativ, obgleich sowohl Small Differences (alternate version) (mit seinem langen Ambient-Einstieg, dem scheppernden Screamo mit postrockiger Tragweite und verwaschenem Sound) als auch Broken Pieces (alternate version) (das fortsetzend die Verbindung zum Dreampop über eine umarmende Melodie auftut) beide bereits 2017 entstanden, aber erst vor wenigen Monate in der beinahe aktuellen Bandbesetzung vollendet wurden – und hier quasi als Brücke zwischen Alt und Neu fungierend den Einstieg auf relativ vertrautem Territorium ermöglichen, bevor eine Reihe an Remix-Bearbeitungen das Spektrum verschiebt.
Winston Givler alias Shedding Teeth macht aus Here We Are ein Noise- und Feedback-Knirschen, der hauseigene Gitarrist Alexander Rudendhiold füttert dem selben Stück (unter dem Banner Cerbe) Distortion und einen subkutan hämmernden Clubbeat. Yajirobe (Infant Island-Bassist Kyle Guerra) verfremdet Colossal Air mit einem locker schnipselndem Beat und esoterischem Geplänkel, das sich irgendwann eine Prise Funk gönnt, aber in seiner morgentauenden Niedlichkeit vor allem zwischen Moby und Syntax stattfindet, während er Someplace Else als sanft treibende, klackernde Chill Out-Tanzflächennummer im Geiste von Jon Hopkins verstanden wissen will.

Wo sich die Saitenfraktion also eher in elektronischen Gefilden im Überarbeiten des Infant Island-Materials austobt, werkelt Neo-Drummer Austin O‘Rourke als eine der Triebfeder des gewachsenen Sounds deutlich klassischer. Diminish (Austin O’Rourke piano rework) ist eine dem Titelzusatz entsprechenden Klavier-Nummer von optimistisch nach vorne gehender Dramatik, die in den orchestralen Arrangements dringlich anschwillt – vielleicht nicht radikal unkonventionell, aber verdammt kompetent. Das nachdenkliche kleine (es nicht auf Beneath geschafft habende) Tasten-Intermezzo Lungs taucht dagegen vornehmlich in die Melancholie ab, während man das Titelstück von Sepulcher von der Kassetten-Version der EP oder als heimlich dazugepackte Bandcamp-Unwirklichkeit kennt.
Hinten raus dominiert dann ohnedies bereits weitestgehend bekanntes Material Collections 1. Death Portrait ist ein klassischer Screamo-Rabatz mit markantem Basslauf von der Split Hymnes aux Désarrois de la Peau; A Preoccupation (reprise) stammt von der Middle-Man Records Compilation Sordid States v2 und zeigt Infant Island düster mit geschlossenen Augen beim Verfolgen einer atmosphärischen Postpunk-Fährte, die ohne Aggression an Zug aufnimmt, aber postrockig bleibt, selbst wenn die Drums irgendwann polternd tackern. Ugly Brunette / July 5th (von der Grave Neighbors v2-Compilation) ist sanfter Shoegaze, der die Symbiose mit dem Black Metal jenseits des Doomgaze verführt. Angestammter ist da schon die Non-Album-Single Where There Is Ruin von 2018, oder Diminish (split version), das ebenso von der Split mit den verwandten Kumpels von smallhands stammt, wie die bitter-süße Garstigkeit Fall (demo) mit ihren gespenstischen Texturen.
Auch aufgrund der Freigiebigkeit der Band hat man insofern schon einige der knapp 54 Minuten von Collections 1 in der (digitalen) Sammlung – das physisch auf 100 Tapes limitierte (und via Bandcamp wie immer nach PWYW-Prinzip angebotene) sollte man sich freilich dennoch nicht entgehen lassen.

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