Infant Island – Beneath
Je nach Sichtweise auf die verschobene Release-Geschichte von Sepulcher und Beneath rudern Infant Island auf ihrem zweiten Studioalbum einen Schritt zurück oder schließen Lücken in der vorweggenommenen Entwicklung.
Beneath mag bekanntlich länger im Brutkasten gelegen haben als die vorauseilende EP Sepulcher, hat aber an sich das ältere Material im Angebot. Das erklärt vielleicht, weswegen die hier versammelten neun Songs nicht nur die Amplituden der Extreme weniger radikal und selbstsicher inszenieren, und der natürliche Fluss ein bisschen unrunder, wenn auch freilich keineswegs unausgegoren anmutet, Infant Islands als Ganzes einfach um das Quäntchen weniger komplett auftreten. Zum Entstehungszeitpunkt des durchaus sinnstiftend betitelten Beneath musste sich die Band als solche eben nach einigen Personalrochaden erst noch neu finden.
Zum Stamm um Daniel Kost (Vocals), Alexander Rudenshiold (Gitarre, Vocals) und Kyle Guerra (Bass) stießen der via Mattachine und den Split-Kumpels Smallhands praktisch ohnedies zum erweiterten Zirkel gehörende Schlagzeuger Austin O’Rourke, später im Jahr 2019 der ebenso längst in Infant Island-Nebenprojekte involvierte Gitarrist Winston Givler – der auf Beneath aber noch als Gast gelistet und nur eineinhalb Songs zu hören ist, während O’Rourke sein erweitertes Instrumentarium um Violine und Mandoline im Gegensatz zur EP zurückhält und manche seiner Parts sogar noch von Vorgänger James Rakestraw geschrieben bekam.
Kurzum: Beneath ist also das Übergangswerk, nach dem Sepulcher bereits zwei Ebenen weiterdenken konnte.
Here We Are fungiert vor diesem Hintergrund irgendwo als augenzwinkernder Titel, sorgt aber für keine falschen Fronten. Düster hantiert der getragene Rhythmus mit einer Goth- und Post Punk-Ästhetik, der in Relation zu Sepulcher deutlich weniger übersteuerte Mix lässt die Drums tackern, doch auch das Geschrei ist weniger himmelstürmend aggressiv – nur damit die harsche Power Elektronik-Folterkammer Signed in Blood umso wahnsinniger die Distortion a la Pharmakon programmieren kann.
Im Kontrast zur EP bremst diese Sprengsel das Momentum jedoch eher aus, wirkt in Nuancen forcierter. Zumal das Steuer wild herumgerissen wird. Content beginnt im anmutigen Postrock, kurbelt dann als Screamo mit eruptiven Riff, nur um sich mit Logan Rivera am Mikrofon umso leidenschaftlicher in den Wellengang aus weiten Reverb-Spannungsbögen zu werfen und am Ende ein bittersüßes Streicher-Outro mit melancholisch sinnierender Friedlichkeit zu bieten.
Zwischen einem maritim tauchenden Ambient-Score (Colossal Air) und dem ebenso fließenden Schlusspunkt Someplace Else, die weniger organisch gewachsen als Sepulcher konstruierter mit den Interludes und ätherischen Instrumental-Parts umgehen, schlägt Beneath den Bogen zur Frühphase der Band jedoch bisweilen triumphal ungeschliffen, wenn gerade Stare Spells in bester Touchè Amorè-Manier hymnischen Hardcore zeigt, der seine Katharsis immer wieder mit besonders einfühlsamer Zärtlichkeit kontrastiert. In die selbe Kerbe schlägt auch The Garden mit seiner melodischen Ader, wobei das keifende Psychosen-Geschrei im Verbund mit den unterschwelligen Growls in seiner hirnwütigen Manie das eigentliche Highlight der Nummer ist.
One Eyed zeigt Infant Island so lebendig und hungrig anhand eines modernen Genre-Stück, sauber produziert und dramatisch, und Death Portrait könnte als stadiontauglich Einstieg zu Puff Daddy poltern, kotzt sich dann aber doch lieber garstig zum Tempo-Ringelspiel aus, ohne die Kontrolle zu verlieren.
Freilich gilt dabei: Um Puristen zu euphorisieren ist das alles dann wohl alles zu wenig roh und dreckig, zu wenig klassich aufgenommen, zu modern in den Ausrichtungen. Doch nicht nur all jene Anhänger, denen Sepulcher zu drastisch klang, können anhand von Beneath direkt wieder beruhigt an Bord kommen und ruhig verschmerzen, dass man in diesem Jahr als potentieller Konsens nicht um Infant Island herumkommen wird.
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