Indigo Sparke – Hysteria

von am 11. November 2022 in Album

Indigo Sparke – Hysteria

Mit The National-Mann Aaron Dessner anstelle ihrer Ex-Freundin Adrianne Lenker am Produzentenstuhl fächert Indigo Sparke ihren auf dem wunderbaren Debüt Echo installierten Folk-Sound mit Hysteria auf, findet aber leider nicht zum Punkt.

Dass einige Songs, vor allem der seine titelstiftende Zeilen immer wieder und wieder und wieder nachlegende Ohrwurm Pressure in My Chest, klingen, als wäre sie von Folklore und Evermore übriggeblieben, liegt überraschenderweise gar nicht ausnahmslos an der Inszenierung von Dessner: „Originally we were going to co-write, but after he heard my demos he said, ‘There’s so much in here already‘“ erinnert sich Sparke und profitiert durchaus vom gewachsenen Spektrum, dass der gefragte Produzent mit der Band, die er in Form von sich selbst, Gitarrist Shahzad Izmaily und Drummer Matt Barrick (The Walkmen, Muzz) hinter die Australierin gestellt hat – gerade wenn es im wohligen Ambiente etwas rauer zu bratzen beginnt und der behutsame Rock durchaus in greifbare Nähe der Indie Folk- und Singer-Songwriter-Basis kommt (God Is a Woman’s Name, das das zart polternde und unscheinbar elektrifizierte Infinity Honey, oder die Aufbruchstimmung von Set Your Fire on Me).
Auch der immer wieder latent mitschwingende Joni Mitchell-Vibe (wie vor allem im betörend schönen Titelstück) steht Sparke ganz wunderbar, während man es Dessner hoch anrechnen muß, dass er der Platte (trotz einer unverkennbaren Handschrift im Ambiente der flotten Geduldigkeitsnostalgie Why Do You Lie? oder der heimelig am Besenschlagzeug entschleunigten Sehnsucht Pluto, die so auch Lana del Rey gefallen dürfte) nicht seine Trademarks aufdrängt, sondern sie meist nach einer gewachsenen Perspektive der Protagonistin klingen lässt.

Allerdings hätte dann doch irgendeinem der Beteiligten auffallen müssen, dass Hysteria mit 55 Minuten Gesamtspielzeit einfach doppelt so lange ausgefallen ist, wie das Album sein hätte dürfen – und sich bedauerlicherweise ohne die richtige Stimmung auch noch doppelt so lange anfühlt, wie es es tatsächlich dauert.
So viele Passagen, gerade die mantraartig repetierten Refrains, werden erschöpfend oft wiederholt, dass sich im Verlauf trotz aller Gefälligkeit selten aber doch eine regelrecht enervierende Langeweile einstellen kann, so dass am Ende – ohne wirklich als Ausfälle gelten zu müssen – ein schunkelnd beschwörendes Hold On oder das wirklich in eine schöne Tasten-Nonchalance gekleidete Time Gets Eaten im ständigen Falsett-Ausbruch zu diesem Zeitpunkt des Verlaufs sogar schon fast nerven können, derweil man die fein anschmiegende Hook des Closers Burn kaum noch aufmerksam genießen mag.
Vom exemplarisch viel zu langen, orientierungslos durch eine PJ Harvey-Ästhetik ohne genialen Twist oder Magie wandernden Opener Blue weg hätte hier insofern so viel gekürzt und destilliert werden müssen, um die eigentlichen Qualitäten von Songs wie dem verträumt im weichen Rhythmus groovenden Golden Ribbons, dem angenehm schwofenden Real oder dem in subtiler Feierlaune durch die melancholische Lounge tänzelnden Sad is Love nicht untergehen zu lassen. Ohne tatsächlichen Ausfall lässt dieses potentiell tolle Zweitwerk so aber praktisch auf einen Durchzug schalten, den keiner der involvierten Personen verdient hat.

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