Incubus – Trust Fall (Side A)
Die dringend nötige Pause nach dem allzu kuscheligen ‚If Not Now, When?‚ hat Brandon Boyd und Co. gutgetan: Incubus haben ihre Gitarren (und Eier) wiedergefunden und anstelle der Frührente doch wieder Lust auf Rock. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die wirklich starken Songs.
Dass ihr siebentes Studioalbum von 2011 ein etwas unrühmlicher Abschluss für die Karriere der Kalifornier gewesen wäre, wissen Incubus wohl selber nur zu gut – dennoch hatte es vier lange Jahre den Anschein, als wäre dem Quintett mit dem nötigen Biss auch über weite Strecken die Lust am gemeinsamen Musizieren abhanden gekommen: der unberechenbare Drang sich soundtechnisch immer wieder neu zu erfinden war einer pflichtbewussten Reibungslosigkeit gewichen. Umso erfreulicher, dass es anhand des ersten Parts einer zumindest zwei Teile umfassenden EP Serie nun aber so scheint, als hätte man nach der selbst verordneten Pause doch einen gewissen Hunger wiedergefunden, als wären zumindest die Perspektiven wieder zugunsten einer weniger unverbindlichen Freude am Rock zurechtgerückt worden.
Gleich das eröffnende ‚Trust Fall‚ gibt insofern die Richtung vor, indem es mit motiviert schrammelnder Einzinger-Gitarre, sphärischen Keyboards und einem esoterischen Boyd („Love is a blessed curse/ lets you sail across the known universe„) mitten rein in die Ausklänge von ‚Morning View‚ grätscht und mehr noch die Erinnerungen an den proggigeren Wirkungskreisen von ‚A Crow Left of the Murder‚ auffrischt, am Ende einen meditativen Spoken Word-Appendix hofiert und davor um sich selbst zirkulierend genug Energie artikuliert, um die handzahmen Popmomente von ‚If Not Now When?‚ auch abseits einer gewissen Vorhersehbarkeit vergessen zu machen. Gut, das hat vielleicht nicht die Sorte bedingungslos packender Melodie auf Lager, die Incubus über weite Strecken ihrer Karriere gepachtet hatten – ist mehr ein Weckruf an sich selbst, mal wieder in die Gänge zu kommen – aber vor allem als relativer Kaltstart hin zu mittelalten Tugenden eine durchaus erfreuliche Angelegenheit.
In eine ähnliche Kerbe – aus stilistisch entgegenkommender Stimmung und okayem bis durchwegs guten Songwriting – schlagen dann auch die restlichen drei Stücke, schaffen es dabei in der wandelbaren Auslegung zudem erfreulich viele Facetten der Incubus’schen Tätigkeitsfelder zu reaktivieren.
‚Make Out Party‚ ist etwa ein stacksenden Stomper mit wagemutigem Falsettgesang, der nur spärlich in die Gänge kommt, sogar mit psychedelischen Retro-Synthies flirtet, letztendlich als behäbig bleibender, locker hervorgeschüttelter Easy Listening-Hard Rock-Song mit Einschränkungen funktioniert, weil ihm schlichtweg der letzte Kick fehlt. Für ‚Absolution Calling‚, den eingängigsten Song der Platte, bastelt Einzinger dann nach einem irreführenden Electro-Intro Gitarrensounds, die eine unterschwellige U2-Atmosphäre ähnlich adaptieren wie Dredg es so gerne tun/taten: ein sportlicher Mainstream-Ohrwurm und schmissiger Nummer-Sicher-Hit mit herrlich cheesy-unangenehmen Video auf 30 Seconds to Mars-Niveau. Wie alles hier ein bisschen langweilig und trying to hard vielleicht, aber dennoch nicht nur aus nostalgischen Gründen eine langsam wachsende Anziehungskraft ausstrahlend.
Das abschließende ‚Dance Like You’re Dumb‚ trumpft dann gar mit einem Soulpart auf, ist mit seinem scharfkantig groovenden Bassriff aber kaum mehr als eine adaptierte Incubus-Version einer beliebigen Death From Above 1979-Nummer; ein unkomplizierter, aber gar zu forciert impulsiv wirkender Partysong, der noch einmal aufzeigt, dass ‚Trust Fall (Side A)‚ zu selten zum Kern der einzelnen Kompositionen vorstoßen kann und deswegen auf irritierende Weise viel richtig macht, aber auch unbefriedigend entlässt: Es bleibt das Gefühl, dass Incubus zu oft dort anknüpfen wollen, wo sie selbst ein wenig den Faden verloren haben, aber dabei außer Acht lassen, dass die Welt in den letzten 10 Jahren nicht gehen geblieben ist. Das passt letztendlich dennoch so: tatsächlich schwaches Material hat diese Band auch hiernach immer noch keines veröffentlicht – die Vorfreude auf jedwede kommende Veröffentlichung aber erfolgreich angeheizt.
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