Incubus – 8
If Not Now, When war vor knapp sechs Jahren womöglich nicht der beste Grund, um Incubus während der darauf folgenden Bandpause zu vermissen; und 8 ist nun womöglich nicht gerade der relevanteste, um ihr Comeback zu feiern. Allerdings geben sich Brandon Boyd und Co. durchaus alle Mühe, alte Tugenden möglichst erfrischend und enorm catchy aufzuwärmen – scheitern aber nicht nur an einem alten Bandkumpel.
Anstelle der angekündigten Fortsetzung der die Batterien aufladenden Trust Fall (Side A)-EP von 2015 gehen Incubus also doch gleich in die Langspieler-Vollen, behalten das eklektische Wesen der anvisierten Side B jedoch bei – dass 8 vor allem deswegen entstand, weil sich zuviel potentes Material ansammelte, ist da kein leeres Versprechen.
Weswegen das Quintett aus Kalifornien das von Dave Sardy produzierte Produkt jedoch noch einmal überarbeiten ließen, bleibt hingegen fragwürdig. Immerhin klotzen Incubus durchaus überraschend mit der Wahl des Re-Produzenten: Brostep-Hipster Sonny Moore hat während der From First The Last-Reunion Zeit für das erste Album der Band seit 6 Jahren gefunden, aus seiner anbiedernden Zeitgeist-Arbeit für Korn aber offenbar nur bedingt gelernt.
Zwar bleibt Skrillex‚es Einfluss auf das abliefernde, wenn auch in Relation zu den Heydays deutlich seichter gewordene Songwriting von Incubus trotz einiger Credits vordergründig überschaubar (die potentiell interessante, letztendlich aber ereignislos plätschernde Elektronik-Ballade Loneliest mit ihren digitalen Drums, verträumten The xx-Gitarren und sparsamen Vocaleffekten gehört zu den markanter Einfluss nehmenden Ausnahmen), manifestiert sich auf einem Album, dass nach dem so milden If Not Now, When die Rückkehr zu mehr Rauheit und Rock markiert, jedoch einerseits im bisher fettest produzierten, erfreulich roh auftretenden Werk der Band – und andererseits auch einem Mix, der 8 qualitativ immer wieder unerbittlich eindimensional in die Kniescheiben schießt.
Um es also gleich vorwegzunehmen: Incubus verschenken enorm viel Potential, opfern 8 durch seine Inszenierung bis zu einem gewissen Grad als Paradebeispiel für einen immer noch nicht ausgestandenen Loudness War – die Vorabsingle Glitterbomb muss da durchaus als symptomatischer Vertreter gesehen werden: Vor atmosphärischen Synthieffekten baut ein unter Wert verkauft agierender Einziger rockige Stimmungen inmitten der markig hervorgehobenen (und im Falle der Drums: hemmungslos überproduzierten) Rhythmusabteilung, während Boyds charismatisches Organ immer noch unmittelbar in seinen Bann zieht. Doch der Refrain begnügt sich letztendlich damit Privilege zu imitieren, könnte selbst abseits davon allerdings ohnedies nicht einlösen, was die zwingende Strophe verspricht – krepiert der Songs letztendlich doch vollends unter dem gleichförmigen, breiigen Sound des Sonny Moore. Der vermeintliche Ausbruch im Chorus hat denselben Kompressions-Druck und die genormte Lautstärke wie die restliche Nummer, es fehlt ihr einfach jedwede Dynamik.
Auch das finale Throw Out the Map zieht die Zügel ähnlich veranlagt grundsätzlich noch einmal erfreulich enger, doch mangelt es auch hier am Raum (oder zumindest ein inspirierterer zusammengebrauten Höhepunkt – ein abschließendes „Chaka Khan, Motherfuckers“ als Verabschiedung bleibt insofern die größte Überraschung), um die etablierten Spannungen zu steigern oder zu intensivieren. Die Amplituden der Ausbrüche sind kaum wahrnehmbar, da kann noch so viel Dampf unter der Haube brodeln.
Mäkel, die sich mal mehr, mal weniger gravierend durch die gesamte Platte ziehen. No Fun gibt etwa den wuchtig bretternden Opener, mit seltsam leise arbeitenden, wenig spektakulärem Riff, der ebenso simpel gestrickt ist, wie der flott am Poppunk das Tempo anziehende Ohrwurm Nimble Bastard – mitreißende Kurzstreckensprinter mit toller Hook, deren Energie sich nur unwesentlich erschöpft, die aber im überschaubaren Rahmen unterhalten. Zugänglichkeit galore – doch wie lange sich 8 derart konzipiert auf Dauerrotation halten können wird, darf also bald hinterfragt werden.
State of the Art wiegt seine beliebig in Vergessenheit tändelnde Strophe dagegen mit einem ein Alternative Rock-Refrain-Traum für das Formatradio auf und egalisiert die brave Ausrichtung mit vielen Handclaps und Spuren von Soul. Ohrwürmer und Hits schreiben, das können Incubus nach der langen Pause wieder effektiver, die Tiefe alter Tage erreichen sie dabei jedoch zugunsten einer allgegenwärtigen Eingängigkeit nie. Eine Kerbe, die auch das generische Familiar Faces bearbeitet, eine gewisse Austauschbarkeit jedoch nicht kaschiert: 8 hat die Intention, dem Œuvre der Band neue Facetten abzugewinnen, ohne dabei die sichere Seite wirklich verlassen zu müssen.
Love In A Time Of Surveillance brät derweil in eine ähnliche Schnittstelle, in der es Wolfmother mit Sundial bratzen ließen, ersetzt jedoch dessen Retro-Flair gegen eine Ahnung von Blues, wohingegen das zurückgelehnte Undefeated mit einem leidenschaftlichen aufgelösten Chorus und feinem Melodiegefühl besticht, aber ohne Ausbruch oder Zuspitzung zu unambitioniert gleichgeschalten anbiedernd klingt. Die vielseitige und dennoch homogene Veranlagung von 8 bleibt insofern bittersüß und ambivalent. Wie auch die Notwendigkeit des bemüht komödiantischen Interludes When I Became a Man, das den Bogen mit Polka-Feeling zu den Mr. Bungle-Wurzeln der Band spannt – und damit weniger relevant aus dem Rahmen fällt, als das durchaus gefällig spacig-schimmernde Instrumental Make No Sound In The Digital Forest.
Keine dieser Nummern ist ein tatsächlicher Ausfall – jede einzelne jedoch ein Mahnmal, dass Incubus die Möglichkeit verschenkt haben, Light Grenades einen energischeren Jungspund nachzuschieben und das beste Album seit A Crow Left of the Murder abzuliefern.
Ohne hier nur Skrillex verantwortlich machen zu wollen, doch fehlt es 8 im Detail und im kurzweiligen Ganzen (auch) am richtigen Produzenten, um der Band anstelle der weniger überzeugenden Elemente im Songwriting funkensprühende Geistesblitze abzuringen, oder die Aufarbeitung variabler zu gestalten. Am Ende steht deswegen ein so einladendes, auf die eigene Klasse zurückgreifendes, wie bisweilen frustrierendes Ergebnis, angesichts der durchaus vielversprechendes Ausgangslage und einer an sich endlich wieder hungrig klingenden Band. Denn die grundsätzliche Intention – wieder giftiger zu agieren und sich damit selbst eine energische Frischzellenkur zu verpassen – ist zu jedem Zeitpunkt spürbar und ein durchaus willkommener Schritt zurück in die richtige Richtung. Ohne (ausnahmslos) in Nostalgie zu verfallen zapft 8 die Stärken der Band trotz Netz, doppelten Boden und sich selbst torpedierender Inszenierung dringlicher an als zuletzt und kann damit vor allem auch einen wichtigen Erfolg feiern: Diese knackigen 41 Minuten machen dann doch durchaus Lust auf die weitere Zukunft der Kombo.
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