Idles – Mercedes Marxist
Vier Songs sind aus den Sessions zu dem vielumjubelten Zweitwerk Joy as an Act of Resistance übrig geblieben. Zu gut, um sie unter den Tisch zu kehren, erscheinen sie nun jeweils im Doppelpack serviert als Standalone-Singles. Den Anfang machen Mercedes Marxist und I Dream Guillotine.
Die Senkrechtstarter Idles scheinen auch im Jahr nach ihrem Durchbruch unbedingt im Gespräch bleiben zu wollen. Die Resteverwertung der Joy as an Act of Resistance-Ausschussware entpuppt sich dafür als durchaus bessere Idee, als überambitionierte The Streets–Verneigungen oder unwürdige Gossip-Schlammschlachten mit Sleaford Mods. Immerhin stimmt (bis auf weiteres) die Qualität der nachgereichten Nummern absolut.
Dabei holt Joe Talbot gegebenenfalls durchaus weiter auf, was seine Beweggründe hinsichtlich der Selektion angingen – zumindest im Fall der A-Seite: „Mercedes Marxist was a strange beast for us, after Rottweiler, it was the first song we wrote for Joy as an Act of Resistance. I was pissed off at what I was and where I was: I was sofa surfing on the weekends and spending the weeks looking after my mum. My life balance was way off and this song reflects just how useless I felt. It was me at my worst and without any buoyancy it became catharsis. It was the last splurge from Brutalism so we omitted it. I like it now.“
Zu Recht! Mit seinem knarzender Bass, polternde Drums und blinkenden Postpunk-Gitarren zögern Idles den Climax lange raus, finden diesen dann aber über die starke Zeile „Suicide’s for cowards he said/ Whilst sat drinking himself to death“ und ebnen dem aufgebauten Schwung eine mitnehmende Abfahrt ins Gemeinschaftsgefühl.
Vielleicht ist die Nummer im Windschatten der direkten Referenz Protomartyr nicht so präzise geraten, wie man das von anderen jüngeren Singles der Band gewohnt ist, doch letztendlich bleibt der Song langfristig enorm catchy hängen und erweist sich als zwingender Grower. Wer aber immer noch Zweifel daran hat, dass Idles das Momentum mit einem Abonnement auf schmissige Ohrwürmer auf ihrer Seite haben – sollte diese spätestens mit dem nachfolgenden I Dream Guillotine ablegen.
Die B-Seite der Vinylsingle hat es offiziell nicht auf Joy as an Act of Resistance geschafft, weil sie zu nahe am Material vom Debütalbum Brutalism gebaut ist. Nicht unrichtig. Ungeachtet dessen liefern Idles aber auch hier vor allem bärenstark ab, umgehen jedoch tatsächlich die zu prätentiös-popkulturell wenig subversive Gangart ihres Zweitwerks und hauen kurzerhand den zweiten Ohrwurm am Stück aus der Hinterhand.
Die forsche Rhythmusarbeit überrumpelt psychotische Synthies, die Gitarren erpressen im Hintergrund nervös drängelnd und vorne sporadisch spottend, bis der Song für den Refrain die Handbremse löst und alle mitnimmt, seine Eingängigkeit aber weniger am Silbertablett hofiert. Das hat was von frühen, aber betont unsaubereren Editors im ausgemergelten Fabriks-Post-Punk-Look mit Facetten von Gang of Four im Television-Modus.
Mit den Epigonen von Fontaines D.C. im Nacken und der Tour mit Preoccupations vor Augen kann diese erste von zwei Nachschlag-Singles jedenfalls durchaus als weitestgehend gelungenes Statement verstanden wissen: Idles machen auch mit ihrer Ausschussware mehr richtig, als andere Kombos mit ihren Hauptwerken – und zementieren damit ihren erkämpfen Platz in der ersten Reihe aktueller britischer Bands.
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