Idles – Crawler

von am 23. November 2021 in Album

Idles – Crawler

Oha! Knapp zwölf Monate, nachdem sie mit Ultra Mono praktisch zu ihrer eigenen Selbstparodie verkommen waren, haben die Briten Idles mit Crawler doch tatsächlich ihr bisher bestes Studioalbum aufgenommen.

Zu einem Gutteil ist dies der Verdienst von Produzent Kenny Beats, der als unkonventionelle – nach Ultra Mono und anderen Platten wie etwa mit Trash Talk jedoch keineswegs vollkommen aus dem Nichts kommende – Produzentenwahl freie Hand erhalten hat, um Crawler ein superbes Soundgewand auf den Leib zu schneidern:  weit in den Noiserock schielend, kaputt und dennoch kraftvoll, roher und präzise, drückend klaustrophobisch, dystopisch aufwühlen, ungemütlich und mit etwas sperrigerer Attitüde, aufwühlend und stets bedrohlich brodelnd.
Seine besten Momente hat Crawler deswegen auch immer dann, wenn das Songwriting sich aus der frontal-prolligen Mitgröhl-Komfortzone der Idles entfernt und sich abwartender, lauernder und herausfordernder gibt, das Gespann in garstiger Synergie funktioniert.

MTT 420 RR köchelt gedämpft minimalistisch, die Synthies und Gitarren dräuen ungemütlich fiebrig, die Struktur spitzt sich zu, der beschwörende „Are You Ready?“-Klimax passiert subkutan in einem perfekten Opener, dessen Spannungen immer weiter rausgezögert werden, der für sich genommen verhallt, aber vom Kontext aufgefangen wird. Car Crash grenzt mit seiner Percussion in der Feedback-Verzerrung schon beinahe am Brockhampton‘schen Rap, der von einem abstrakten Lärm-Virus zerfressen wurde – die versöhnliche, melodisch-halluzinogene Bridge lässt die Nummer nur umso destruktiver und stoischer detonieren. Stockholm Syndrome kurbelt schwerfällig polternd und scharfkantig schrammelnd wie Protomartyr, bevor der Stakkato von The Beachland Ballroom soulig-verträumt schwoft, eine romantische, unterschwellige Aggression und Leidenschaft provoziert.
Schier überragend dann die Stafette aus dem kurzen Interlude Kelechi, dem sekundenkompakten Randale-Hardcore-Gebrüll Wizz, sowie Progress mittendrinnen als stärkster Song, der wie eine von elektronischer Säure aufgelöster intrinsischer Pop-Traum schlafwandelt. Weitaus expliziter und ähnlich triumphal gerät die epische Emotionalität The End, eine euphorisierende Katharsis.

Auch in die Ausrichtung könnten Idles allerdings gefühlt sogar noch weiter gehen, noch radikaler werden, um das aufgezeigte Potential wirklich abzuschöpfen.
Es sind jedoch alleine jene Momente ärgerlich, in denen sich die Band zu risikofrei verpflichtet zu fühlen scheint, die Basis auf Nummer Sicher gehend an Bord holen zu müssen. Weniger, wenn das toll polternde The Wheel als schabender Rocker zu Future of the Left schielt und der Refrain am Drone sein Hallelujah predigt. Doch sobald das postpunkige When the Lights Come On abseits seiner fesselnden Atmosphäre und Texturen ein archetypischer Baukasten ist, das bedingungslos catchy ausgelegte The New Sensation wie To Hell With Good Intentions beginnt, dann aber wie ein Garage-Revival-Surf-Twang die Tanzbarkeit sucht und ästhetisch homogen die simple Unterhaltungs-Banalität forciert. Der Titelsong, das mit Saxofon und dissonanter Attitüde aufgewertet werden sollende Meds oder das seinen Bass in die Auslage stellende King Snake sind jedoch im Kern nur leidlich inspirierte Standards. Selbst dann ist da aber eben der Sound der Platte, der Crawler einen angriffslustigen Reiz jenseits der Plattitüden und Slogans verleiht. Chapeau!

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