Iceage – You’re Nothing
Zu behaupten, die Kopenhagener Postpunk/Punkrock-Kombo Iceage hätten für ihren zweiten Langspieler ihre herzliche Seite gefunden ginge viel zu weit- darauf käme alleine aufgrund des Albumtitels aber wohl ohnedies kaum jemand.
Wie ‚You Are Nothing‚ die Grundgedanken des zwei Jahre alten Debütalbums ‚New Brigade‚ ins Detail gehend spinnt hat dennoch etwas beinahe liebevolles. Wobei: wieder so ein Wort, dass man in Zusammenhang mit dem ungemütlichen Quartett aus Dänemark nicht verwenden sollte. Ist doch auch das Zweitwerk der Band die Brechstange zwischen 80er Postpunk und destruktiven Hardcore, die schnellstmögliche Verbindung zwischen dem Sound von Warsaw und Minor Thread gleichermaßen zu zeitgenössische Kollegen wie White Lungs oder No Age. Iceage haben sich ihr auf brutale Minusgrade hinabgekühltes Klangbild behalten, klingen dank sorgfältiger Produktion ausgemergelt und dürr, hungrig eben, mit dem wohlwissenden Wahnsinn der Verzweiflung in jedem Ton stets unberechenbar und aggressiv jenseits der baren Reizbarkeit. „Excess!“ brüllt Sänger Elias Bender Rønnenfelt in ‚Coalition‚ – seine Band rast dem Folge leistend direkt in das die permanent angespannte Nervenheilanstalt-Stimmung mit militärischem Drill einfangende ‚Interlude‚.
Iceage prügeln weiterhin maschinellen Exzess aus ihren Instrumenten der sich nicht vor Dissonanz scheut, den Fokus auf ‚You’re Nothing‚ aber weniger auf knackige Einzelsongs legt als das straffer gezogene ‚New Brigade‚ es tat, sondern das große Ganze im Blick hat. Hinter mannigfaltig kultivierten Noise schlummern freilich immer noch zahlreiche eigenwillige Ohrwürmer, dennoch finden auf Album Nummer Zwei Dinge statt, für die im ersten Durchgang schlicht keine Zeit war. Siehe etwa eben das atmosphärische ‚Interlude‚. Oder den schon als countryesk durchgehende Beginn von ‚In Haze‚, der seine sich nach dem Refrain immer wieder in den Mittelpunkt drängelt, seine hervorragende Gitarrenarbeit aber ansonsten im Untergrund des Mix arbeiten lässt. Oder ‚Morals‚ – eine Klavierballade? Eher die Vorstellung, wie Iceage eine Klavierballade unerbittlich in den Abgrund reißen und den Kadaver gnadenlos dem schwitzenden Pit zum Fraß vorwerfen. „Nature is Violence/ Violence is Great“ könnte Rønnenfelt in all seiner Nicht-Emotionalität des gebrochenen Englisch in ‚Everything Drifts‚ skandieren, letztendlich bleibt seine energische Botschaft auch ohne konkreten Hinweis klar in ihrer Intention, ‚You’re Nothing‚ kodiert seine Absichten nie. Deswegen fällt auch die in Iceage’s Landessprache gesungene 107 Sekunden-Attacke ‚Rodfæstet‚ nicht aus dem Rahmen.
Die Gitarren in ‚Ecstasy‚, sie arbeiten irgendwo zwischen Kreissäge und Zahnarztbohrer, Melodien werden nicht hofiert sondern attackiert, gejagt geradezu. ‚Burning Hand‚ dröhnt und täuscht den Anlauf lange Zeit nur an bevor tatsächlich am Ganghebel gerissen wird; fette Riffs gehen unter wenn Iceage so zackig klingen, als würde man scharfkantig meterdicken Stahl zerschneiden. Das eiligst gallopierende ‚Awake‚ führt schließlich zum titelgebenden ‚You’re Nothing‚, in dem die verachtende Botschaft mit destruktivem Blick für die schmutzige Nihilismus-Hymne transportiert wird. Gnade gibt es auch hier keine, zurück bleiben nur erschöpfte Körper. Iceage nehmen keine Gefangenen, sie sind auch breiter aufgefächert weiterhin eine unheimlich dringliche Alles-Oder-Nichts-Band. Eben keinesfalls liebevoller oder herzlicher als im ersten Durchgang, ihren kompromisslosen Schlachtplan allerhöchstens verspielter interpretierend, vielschichtiger und überlegter zu Werke gehend. Besser Kirschen essen ist mit den Dänen deswegen noch lange nicht.
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