Ian Noe – Between the Country
Country auf Wurzelsuche zwischen Folk und Amerikana: Ian Noe macht sich nach der Off this Mountaintop-Ep von 2017 auf seinem offiziellen Debütalbum Between the Country unter tatkräftiger Mithilfe von Großproduzent Dave Cobb und einer versierten Backingband bereit, um in die Fußstapfen großer Idole zu treten.
Wobei das mit dem Debütalbum so eigentlich nicht ganz stimmt. Immerhin veröffentlichte der heute 29 Jährige Singer-Songwriter aus Beattyville in Kentucky bereits 2008 ein selbstbetiteltes Album rund um die Awardgewinner-Single Don’t Let The Morning Bring Ya Down.
Knapp eine Dekade später hat sich Noe von diesem ersten Gehversuch jedoch drastisch weiterentwickelt – auch wegen der Betreuung durch Dave Cobb, der hier nicht nur als Produzent und zweiter Gitarrist fungiert, sondern mit Bassist und Organist Adam Gardner sowie Schlagzeuger Chris Powell auch eine veritable Hintergrundmannschaft an Bord holte, während Savannah Conley etwa das schunkelnde Letter to Madeline als Backingstimme ausschmückt und dem homogenen, meisterlich inszenierten Gesamtsound eine zusätzliche Facette verleiht.
Mann kann Noe deswegen im Verlauf von Between the Country vorwerfen, dass er sich mit einer nicht restlos ausgearbeiteten eigenen Handschrift in sein Talent und Können legt – muß ihm im Umkerschluß aber zu Gute halten, dass der traditionsbewusste appalachian troubadour sein Handwerk von den Besten inspirieren hat lassen. Das Songwriting, die dunklen Texte voller abgründiger Charaktere und pessimistischer Szenen, die Intonation und die Arrangements – alles hier strotzt vor einer Klasse, die an die Klassiker erinnert. An Bob Dylan (speziell im überragenden Barbara’s Song), an Nebraska und immer wieder John Prine, aber auch an jüngere Outlaws wie Tyler Childers (auch wenn Noe sich aktuell im Zweifelsfall eher am Folk denn am klassischen Country positioniert) – er selbst reiht noch Woody Guthrie, Neil Young oder Merle Haggard als Einflüsse und verhebt sich damit nicht.
Es ist also trotz einiger archetypischer Standards (den reduzierten Einstiegen in die Songs etwa, die immer erst nach einigen Takten das restliche Instrumentarium hinzuholen) eine geradezu zeitlose Freude Noe über verdammt kurzweilige 37 Minuten dabei zuzuhören, wie er seinen Platz in der Historie sucht und dabei zehn ausnahmslos starke Nummern abliefert.
Egal, ob es die hinten raus aufzeigenden Szene-Hits Meth Head oder der Titelsong sind; ob That Kind of Life als besonders entspannter Anachronismus bezaubert oder Dead On The River (Rolling Down) die Bluesstudie ohne Hoffnung gibt; ob ein Junk Town besonders intim und melancholisch in die Sparsamkeit gezupft wird und damit wie auch die melancholische Kontemplation Loving You ein Maximum der emotionalen Effektivität erwirkt oder If Today Doesn’t Do Me In als getragene Traurigkeit mit Pianobegleitung eine tröstende Nahbarkeit erzeugt.
Between the Country läuft mit süchtig machender Tiefe, ist authetisch, geduldig, simplizistisch, – und als formvollendet betreute Talentprobe ein Versprechen an die Zukunft des Folk und Country, die Noe wohl auch im Alleingang ohne Cobb einlösen können wird.
Leave a Reply