I Am Kloot – Let It All In
John Bramwell und seine melancholische Britpop-Kapelle wärmen auch beim sechsten Album wie gewont und geradezu selbstverständlich all jenen die geschundenen Seelen, die mit schwerem Herzen ziellos durch spärlich beleuchtete Nachtstraßen ziehen oder gleich vollends hoffnungslos am Tresen kleben geblieben sind.
Alles beim Alten im Hause I Am Kloot also. Nur geschieht auf ‚Let It All In‚ eben all dies wieder eine Spur unaufgeregter, beschwingter und weniger ausladend (oder: mit seltener stattfindenden Elbow-Momenten) als zuletzt; so herrlich souverän, dass man die Großartigkeit dieser leisen Band im vierzehnten Bandjahr schon einmal als reine Selbstverständlichkeit abstempeln kann – was natürlich den Fehler bedeuten würde, die ewige Nischensensationen aus Manchester ebenso unter Wert zu verkaufen, wie das viel zu viele potentielle Indiepoprock-Hörer immer noch machen; für die der Griff zu den großen Brüdern von Elbow immer noch der naheliegendere ist. ‚Let It All In‚ erklärt entgegen seinem Titel ein bisschen deutlicher als seine stark geprägten Vorgänger, warum das so ist, fühlt sich das abermals von Guy Garvey und Craig Potter produzierte Werk doch im stillen Kämmerlein wohler als im Rampenlicht des letztendlich doch nicht gewonnenen Mercury-Preises und ist generell ein wenig in sich gekehrter und gelebte Abkehr vom umwerfenden, mit süffigen Rotwein beschwipst-schunkelnden Mitternachtswalzer ‚Sky at Night‚, wählt seine Höhepunkte dabei klug und glänzt dazwischen beinahe unscheinbar: zurück auf Los, irgendwo.
Die feierlichen, melancholischen Streicher, die während ‚Sky at Night‚ permanent so elegant ins Rampenlicht tanzten, sie sind also weitestgehend verschwunden, Reduktion auf das Wesentliche (also Bramwell’s tröstende Stimme, niemals nach billiger Aufmerksamkeit schreiendes Songwriting und all die aus vielen kleinen, ganz große Melodien gebauten zahlreichen Ohrwürmer und Lieblingsmomente) kann man das wohl phasenweise nennen; sparsam mit seinen Ressourcen umgehend träfe dann aber eher zu. Sind ausladende Akzente doch wieder vorhanden, nur eben so geschickt gesetzt, natürlicher in der Produktion stattfindend. Etwa, wenn das langsam (wann genau eigentlich?) an Fahrt aufnehmende ‚Bullets‚ plötzlich die Arme und Beine im Gleichschritt wild von sich werfend losstapft, die Gitarre nicht mehr zu schüchtern zum aufzeigenden Heulen ist, aber bei all dem Tamtam trotzdem kein Pomp entstehen will.
Unwerfende Momente wie diese finden sich auf ‚Let In All In‚ zuhauf, in allen Schattierungen. Das sanft stolpernde ‚Shoeless‚ lässt einen knappen Moment lang einen unkonkrete, seligen Feen-Backgroundchor aus 1001 Nacht ala Lord Huron erklingen und gleich wieder wieder verschwinden, ‚Masquerade‚ macht glückstrunken den selben Kniff in seiner liebevoll-beschwingten Art nur konkreter, wenn die Herren aus dem Hintergrund von ‚Don’t Be Cruel‚ plötzlich angespühlt zu werden scheinen – keine Frage, die Freunde von Elbow hätten diesen Moment in das Breitwandformat getragen. Stichwort Cinemascope: ‚These Days Are Mine‚ hofiert orientalische Streicher, wie die Beatles sie nach Indien immer wieder benutzten. Und solch übermütige und rührselige Trompeten wie ‚Some Better Day‚ haben sonst nur Element of Crime parat: da passiert I Am Kloot nur einer von vielen potentiellen, aber eben auch besser versteckten Singlekandidaten. Dass ‚Hold Back the Night‚ und vor allem erwähntes ‚These Days Are Mine‚ (DER Elbow- und ‚Sky At Night‚-Moment tanzt überhaupt ganz dezent aus der homogenen Reihe) diesbezüglich den Vorzug bekommen haben, ist trotzdem nachvollziehbar.
Den überragendsten Moment liefern I Am Kloot vielleicht trotzdem bereits mit dem Titelsong: einer intimen Schönheit samt heimeliger Harmonika, drückendem Bass, fettem Orchester und mehr Herz im kleinen Finger, als andere Bands im gesamten Körper mit sich schleifen. ‚Let It All In‚ zeigt sich hier von einer seiner bezauberndsten Seiten, ist aber zu jedem Zeitpunkt (auch wegen all seiner schlauen, aufmunternden, niederschlagenden, nachdenklichen, schlicht wunderbaren Texte) ein einnehmender Melodiereigen geworden. Eine Platte, deren Vorzüge weniger mit Understatement glänzende Kombos wohl lauthals anpreisend in die Welt hinaus schreien würden: ‚Let It All In‚ aber gibt stattdessen viel lieber, als zu nehmen, haben die drei Briten hier doch weitestgehend ein auch in den ansatzweise pompösesten Momenten intim wirkendes Werk gezimmert, das vor allem als aufmunternder Begleiter durch die ganz eigene Einsamkeit funktionieren will und seinen Charakter erst nach und nach aus der gefälligen Beiläufigkeit der ersten Begegnungen schält. Dass man all das von I Am Kloot auch schon noch besser serviert bekommen hat spielt am Ende keine Rolle – und ob das sechste Album der Band den relativen kommerziellen Erfolg von ‚Sky at Night‚ wiederholen können wird bleibt ebenso zu bezweifeln wie letztendlich noch egaler. Viel eher buhlen wie auf jedem I Am Kloot Album auch auf ‚Let It All In‚ ausnahmslos liebevolle Songs darum, zu langjährigen Begleitern durchs Leben werden zu dürfen. Ohne Zwang natürlich.
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