Hot Chip – Why Make Sense?
Wenn man auf der eigenen Spielwiese unangefochten den Ton angibt, darf man sich auch mal entspannt zurücklehnen: Auf ihrem sechsten Studioalbum zelebrieren Hot Chip mit beeindruckender Zuverlässigkeit und der Dynamik ihrer Liveauftritte im Rücken, wie lässig und leichtfüßig Routine klingen kann.
Auf die ersten Durchgänge kann man diese bemerkenswerte Souveränität nach vier weitestgehend hochklassigen Alben in Folge (das Debüt ‚Coming on Strong‚ steht als Orientierungsphase ja zumindest unter Welpenschutz) durchaus als Business-as-usual-Gewohnheit durchwinke. Man möchte Songs wie dem elegant-verschwitzen Tänzer ‚Dark Night‚ in seiner so verdammt smoothen Gangart beinahe schon vorwerfen allzu problemlos dieses enorme Gefühl für Melodien, soviel Gespür für die richtige Dosis an Hooks aus den Ärmeln zu schütteln; einem ‚Love is the Future‚ die Anstandslosigkeit ankreiden, mit der dieser ach so typische Hybrid aus schlauer Electronic und Synthiepop, unterfüttert mit Soul, Groove, Funk runtergeht wie Öl. Dass es gerade hier den Rappart von De La Souls Posdnuos gar nicht unbedingt gebraucht hätte ist dann irgendwo gar insofern symptomatisch, weil er dennoch in den Rahmen passt wie die Faust aufs Auge. Dass obendrauf noch Streicher in die Szene stolpern: eigentlich nur logisch – es war immer schon eine Stärke von Hot Chip ihre nerdigen Spleens in funktionierende Kompositionen zu quetschen, für die richtige Clubatmosphäre das eigene Sofa nicht verlassen zu müssen. Deswegen stechen auch die stimmungsvollen, altmodisch-verliebten Ruhepausen immer aus dem Gesamtkontext hervor – diesmal in Form von ‚White Wine and Fried Chicken‚, ein superromantischer Schunkler, zu denen selbst den Computermenschen von Daft Punk das Herz schmelzen wird.
Neu ist das alles freilich trotz marginaler Feinjustierungen neun Jahre nach dem immer noch referenziellen Durchbruchsgeniestreich ‚The Warning‚ nicht mehr, ‚Why Make Sense?‚ reklamiert ungeachtet solch wundervoller R&B-Sample-Einfälle wie ‚I Need You Now‚ von Sinnamon kaum Neuland für die stilistisch nicht festzunagelnde, klangtechnisch aber freigeistig determinierte Band. Als Kniff reicht diesmal im Grunde alleine die Hinzunahme von Drummerin Sarah Brown Jones, um den Toursound der Band mit wärmender Klarheit im Studio nachzuzeichnen.
In seinen Bannkreis zieht das organischere Ergebnis ohne jeglichen Übersättigungsgefühl so mit jedem Mal mehr, nicht nur bei bewegungsfördernden Sonnenschein: was weniger an hymnisch ausgebreiteten Verspultheiten ala ‚Cry for You‚ oder smart-entspannt gen Prince-Funk schielenden Ausreißern wie ‚Started Right‚ liegt, sondern an der Summe der Teile, ‚Why Make Sense?‚ als Gesamtwerk. Weil versierter Enthusiasmus und durchdachte Leidenschaft bei Hot Chip immer noch vor Schablonenhaftigkeit und Baukastenverfahren stehen und das Quintett um Alexis Taylor und Joe Goddard längst punktgenau weiß was es tut, ist ‚Why make Sense?‚ das bisher reifste, kompletteste Album der Londoner geworden: Ein homogener Streifzug durch alle Stärken der Band, der selbst weniger nachdrückliche Momente im Kollektiv problemlos auffängt. Ein anderer Indikator für die anhaltende Klasse der Band: selbst die Bonus EP kommt ohne Füller aus.
Wo die Hits der Band auf den Vorgängern eventuell schon hartnäckiger und markanter waren, zelebrieren Hot Chip jedoch vor allem mit flimmernden Dancefloorkiller ‚Huarache Lights‚ rund um marktschreiende Hip Hop-Tendenzen und käsigen Vocoder-Vocals sowie dem imposant ausfransenden Titelsong-Rausschmeißer großes Tennis. „You make my heart feel like it’s my brain“ schmachtet Taylor ohne Scham vor Kitsch schon davor und umreißt damit ganz gut die formvollendete Sachlichkeit, mit der das ursprünglich als Doppelalbum voller theoretischer Spontanschüsse („most of the album’s songs were written in three to four days, […]we try to work really quickly so we don’t work the life and soul out of it„) angelegte sechste Studiowerk der Band ihr bisher wahrscheinlich kohärentestes geworden ist. Während da zwischen bauchpinselnder Grammy- und Mercury Prize Nominierungen, berauschendem Kritikerlob und anhaltender Publikumszuneigung durchaus Gefahr bestanden hätte zu verkrampften Dienstleistern zu verkommen, haben Hot Chip einen eleganten Weg gefunden sich in die Errungenschaften der letzten Jahre zurückzulehnen und ihre grundversierte Professionalität so locker/leicht in Szene zu setzen wie noch nie. Und falsch machen sie dabei schlichtweg weiterhin nichts, Sinnfrage hin oder her.
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Muezi - 24. Juni 2015
Hot Chips Schlagzeugerin heisst „SARAH JONES“ und nicht Sarah Brown. ;D
Oliver - 25. Juni 2015
Shite, peinliche Verwechslung! Vielen Dank, ist gleich mal korrigiert worden! 🙂