Ὁπλίτης – Παραμαινομένη
Παραμαινομένη (alias Paramainomeni) wirkt nach der triumphalen 2023er Trilogie aus Ψευδομένη , Τρωθησομένη und Ἀντιτιμωρουμένη in jeglicher Hinsicht wie der Beginn eines neuen, verdammt aufregenden Kapitels für Ὁπλίτης (alias Hoplites).
Soviel kündigt schon das Artwork an, auch die Tracklist unterstreicht die Vermutung ungehört – bei insgesamt nur 6 Songs über 53 Minuten kratzen die meisten nunmehr am zweistelligen Spieldauer-Bereich. Und dann erst der Erstkontakt mit der Musik: die Strukturen des Black Metal sind weitaus progressiver als bisher, vieles mutiert aus der Repetition von Mustern heraus zu regelrechten Suiten, immer wieder blitzt ein willkürlich in das Avantgarde-Geschehen wütendes Saxofon in die Husarenritte, und der Sound ist wieder präziser separiert angelegt als zuletzt (weswegen die Drums, gerade wenn sie in den ballernden Blast-Modus schalten, schon ein wenig zu steril und klinisch programmiert sind, wo gerade die unendlich kreativen Gitarren im methodischen Auftretens so aber bestechend auf- und freidrehen können) und ja – Παραμαινομένη wirkt in der Reibung all dieser Faktoren wie eine ganzheitlichere Inkarnation von Ὁπλίτης hinter dem Ereignishorizont des im 2023er-Triptychon vermessenen Evolutionsprozesses.
Tags wie Blackened Zheul oder Blackened Brutal Prog machen jedenfalls mehr Sinn denn je. Das versöhnlich ruhig eröffnende Intro von Μῆνιν ἄειδε, θεὰ παραμαινομένη ἐμοῦ… führt schließlich mit kultischen Gesängen, minimalistischer Percussion und folkloristisch gezupften Saiten auf eine falsche Fährte, denn schnell bricht das Chaos aus wahnsinnigen Drums und Gitarren-Exzessen umso radikaler los. Besagtes Saxofon trötet, erst willkürlich eskalierend, später ein kommunikatives Duelle mit der Gitarre entfachend, math-artig und dissonant. Verstört faucht der keifende Wirbelsturm nach vorne, erzeugt einen chantenden Groove mit halluzinoger Verausgabung bis zum schnaufenden Finale.
Das atonale Παραδειγματιζομένη μουσική sekkiert sein stoisches Muster mit besonders variablen, greinen, keifenden, growlenden Vocals und lässt sich gleichermaßen somnambul treiben, wie die Zügel eng gespannt flanieren und als von der Tarantel gestochene Hatz attackieren, bevor der Djent-Modus von Ἡ τῶν λυσσημάτων ἄγγελος sein panisch selbstrefebetielles Riff in kleinen hirnwütigen Mutationen aus dem methodischen Schema ausbrechen lässt und für seine Outro zum Beginn der Platte zurückkehren lässt.
In Συμμαινόμεναι Διονύσῳ Ἐλευθέριῳ zetteln abrassive Avantgarde-Bläser ein Inferno an, dessen abenteuerlicher Gallop im Oranssi Pazuzu-Delirium den hasserfüllten Black Metal-Zorn mit feister Brutalität und irrem Zug intoniert, wobei der Fieber(alb)traum ambiente Klavier-Dystopien, Bläser-Arrangements und mystische Call-and-Response-Rituale in seinen Mahlstrom inhaliert. Συμμιαινόμεναι Διονύσῳ Ἐλευθέριῳ kloppt beinahe rockig und thrashig, inhaliert die 80er mit Synth-Spuren und Classic-Solo, derweil Ἄπαυστα θεία μανία als Schlusspunkt die Waage aus bestialischem Metal und pointiliertem Hackbrett-Sinnieren hin und her schiebt, im Ein-und-Ausfaden balanciert – aber vom Songwriting her auch etwas unrund anmutet. Nach all dem Feuerwerk zuvor ein klein wenig unterwältigend, weil den genialen, finalen, alles entscheidenden Klimax vermissen lassend, aus einer Platte entlässt, die ansonsten ein funkensprühenden Spektakel ist. Die atemberaubenden Szenen geduldig konstruiert und mit infernalem Hunger von der detaillierten Leine lässt. Die so viele euphorische (wenngleich nicht immer restlos begeisternde) Momente entfesselt.
Die Kompositionen, die Performance und die klangliche Inszenierung gehen jedenfalls über weite Strecken auf einem überragenden Niveau Hand in Hand, sind ein komplexer Trip und unberechenbare Trance in einem technisch virtuosen Reißwolf, der sich auf sprachlicher Ebene dem Verständnis entzieht, auf universeller Ebene aber wie ein Brandbeschleuniger zündet – obwohl, oder gerade weil!, stets der Eindruck bleibt, dass Παραμαινομένη eben erst der Anfang für diese neue, so vertraut gebliebene Inkarnation von Ὁπλίτης ist. Ein Wiedersehen in den Jahrescharts 2024 mit Liu Zhenyang steht jedenfalls schon jetzt fix fest.
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