Hildur Guðnadóttir – Joker

von am 10. Oktober 2019 in Soundtrack

Hildur Guðnadóttir – Joker

So wird „Taxi Driver mit Clowns“ alias Joker zur One (Wo)Man Show: Nach dem Schauspiel von Joaquin Phoenix ist der Soundtrack von Hildur Guðnadóttir das klare Highlight der überraschend soliden Batman-Villain-Origin-Story von Regisseur Todd Phillips.

Hildur Guðnadóttir hat aktuell ohnedies einen unfehlbaren Lauf: Nachdem sie bereits die Sunn O)))-Rückkehr Life Metal veredelte, kann sie sich mit der Arbeit für die herausragende Serie Chernobyl ziemlich sich auch rühmen, den wohl besten Score des aktuellen Jahrgangs angeliefert zu haben.
Die zeitgleich entstandene musikalische Untermalung der wahnsinnigen Entfaltung des Jokers setzt hier nun beinahe ansatzlos an und führt das hochqualitative Schaffen der 37 Jährigen bei ihrem Wiedersehen mit Jesus Phoenix fort, indem sie abermals eine technisch relativ simplizistisch gehaltene, dafür aber atmosphärisch umso aufwühlender in die Tiefe gehende Klanglandschaft geschaffen hat, die das Kopfkino (mit einem anderen Entstehungsprozess als etwa Chernobyl) auf vergleichsweise instinktive Weise bewegt: „Todd sent me the script right after he finished it and he asked me to respond to it musically straight away. So I wrote music just from the feeling that I got from the script, imagining what the sound and the pacing of the narrative would be. He really resonated with what I wrote so he ended up shooting a lot of the material, I think, to the music I had already written. That was really wonderful because the music and the film have really grown together as one whole.

Der Soundtrack zu Joker speist sich dafür aus unheimlich auftretenden Orchester- und Streichermotiven, ist melancholisch und düster, bedrohlich und trotzdem auch in gewisser Weise heroisch und episch. Klaustrophobisch schweben skizzierte Cello-Themen über den strukturoffenen Dingen, launig und abgründig, lassen ein permanentes Unbehagen spüren, das zwischen Versatzstücken der modernen Klassik und des Dark Ambient seine Schwingen ausbreitet.
Guðnadóttir folgt dabei einer klaren Linie, öffnet das Spektrum jedoch in eine räumliche Breite. Ausgerechnet Young Penny deutet so leise Hoffnungsschimmer an, während Hiding in the Fridge mit der Dissonanz und dem Drone liebäugelt. Penny Taken to the Hospital ist dringlich und eilig, jedoch auch schwer und erdrückend, bevor das traurige Bathroom Dance so einsam und erlösend in die Arme eines hymnischen Chores gleitet und kurz eine Crescendo der Katharsis andeutet.

Am eindrucksvollsten nachhallend geraten jedoch jene Szenen, in denen eine bedächtige Percussion das Soundbild begleitet und Joker eine innere Unruhe und geradezu sediert-kriegerische Getriebenheit bekommt. Über allem steht hier gleich Defeated Clown, das martialisch von dumpfen, methodisch-medikamentierten Galeeren-Trommeln in die Psychose-Trance hypnotisiert wird und dabei an das zeitbefreite Werk des Dale Cooper Quartetts erinnert – explizit an Une Cellier.
Following Sophie dräut richtig finster und spannt sich am beklemmenden Horror an, das finstere Arthur Comes to Sophie lässt seine Percussion durch eine latente Distortion gefährlicher denn je klingen, zumal sich die Nummer ohnedies immer intensiver und lauter verdichtet. Der Suspence von Learning How to Act Normal fließt in Zeitlupe, wohingegen Escape from the Train mechanisch-mönströs als atemloser Thriller pusht.
Wenn Subway hingegen unterschwellig nervös tickend seine ungemütliche Ader forciert, sich aber mit Fortdauer doch immer weniger fesselnd verliert, zeigt sich hier exemplarisch für das große Ganze, dass Joker (gerade im Hinblick auf den Entstehungsprozess doch auch paradoxerweise) ohne die dazugehörigen Leinwandbilder nicht ganz so zwingend funktioniert, wie es die besten Arbeiten von Guðnadóttir ansonsten auch auf sich alleine gestellt tun. Nichtsdestotrotz festigt die Isländerin hiermit ihren hart und konstant erarbeiteten, nur augenscheinlich kometenhaften Aufstieg als eine der spannendsten aktuellen Komponistinen des Business nahezu mühelos, kratzt immer wieder an ikonischen Momenten rundet ein triumphales Erfolgsjahr imposant ab, nach dem ein Perspektivenwechsel schade, aber durchaus verdient ist: „I need a little bit of a film break. I’m going to start focusing a bit on just music for music’s sake.

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