Henry Rollins [10.02.2023: Orpheum, Graz]

von am 12. Februar 2023 in Featured, Reviews

Henry Rollins [10.02.2023: Orpheum, Graz]

Henry Rollins gastiert im Rahmen seiner Good To See You-Tour mit einiger Verspätung im Grazer Orpheum – und erzählt zweieinhalb Stunden lang unter Strom stehend praktisch ohne Punkt und Komma in Angriffsstellung Geschichten aus seinem Leben.

On the Good To See You tour Henry will faithfully recount the events of his life in the brief pre-COVID period since the last tour and when things got even stranger over the last several months.“ verspricht die Ankündigung zur neuen Show des der Musikproduktion längst abgeschworen habenden Rollins (Rise Above: 24 Black Flag Songs to Benefit the West Memphis Three ist tatsächlich bereits unglaubliche 21 Jahre her!). Genauer betrachtet und im im weitesten Sinne reiht der Abend jedoch eigentlich Anekdoten aneinander, die Dinge thematisieren, die einem auf unterschiedlichste Weise genommen werden können.

Das beginnt (nach einem Einstieg, in dem Rollins seine grundlegende Positionierung zu seiner – „rassistischen und misogynen“ – Heimat Amerika und Covid – „diese fucking Mouthbreather sollen der Wissenschaft vertrauen und sich impfen lassen!“ – darlegt, sich also über Dinge auslässt, die ihm gleichermaßen der Einkommensquelle Tour berauben und doch auch Stoff für neue Monologe liefern) bei Episoden, die sich vordergründig darum drehen, wie Menschen ihre emotionalen Pakete bei Rollins abladen (und hintergründig deswegen lehren, von vorschnellen Urteilen über andere abzusehen) und endet, weil Henry in weiterer Folge die Wut über das Geschehene ob seiner langjährigen Managerin Heidi bis heute nicht zurücklassen konnte, keineswegs bei der wirklich überlagen Story (die sich gefühlt länger zieht als der besprochene Vorfall an sich gedauert zu haben scheint) über einen finnischen Stalker, der dem EBay-Shark Rollins (der lieber anderen die Träume seltener Platten nimmt, als sich selbst die Chance auf Nostalgie entgehen zu lassen) während der COVID-Pandemie in seinem Zuhause auflauerte und in weiterer Folge Memorabilia und die Illusion einer sicheren Unterkunft zerstörte,

Bis auf jene besagte finale Episode, die dann eben einfach doch zuviel Raul einnimmt, ist es wirklich erstaunlich kurzweilig, diesem roten Faden zu folgen (teilweise auch schockierend, wenn Rollins sich an den Raubmord [?] erinnert, bei dem ein Freund neben ihm erschossen wurde; oder schlichtweg unbezahlbar, wenn man Erinnerungen über den Einstieg der Hardcore-Legende als Sänger bei – der ihn als erste Amtshandlung gleich mal beklauenden – Black Flag aus erster Hand erfahren darf).
Man kann übrigens auch immer wieder schmunzeln – die meisten Besucher des nahezu ausverkauften Orpheums tun sogar oft mehr als nur das, auch wenn die meisten von Rollins‘ gebrachten (und klar als solche konzipierten) Gags relativ abgedroschene Klamotten (wie etwa Spanking-Demonstrationen, Sex-Rush-Selbstironie oder „Ich bin so alt, …“-Augenzwinkern vor einem alles andere als jungen Publikum) darstellen.
Tatsächlich ist der charismatische Abend stets amüsant, man hängt der eine immense Energie und Präsenz ausstrahlenden Ikone gerne und auch ein bisschen gebannt an den Lippen. (Fotos des Gastspiels gibt es an dieser Stelle deswegen übrigens auch keine: wie der stets in lauernder Angriffsstellung bleibende, das Mikrokabel energisch um seine linke Hand geschlungen habende Rollins in schwarzem Shirt und ebensolchfärbigen Jeans aussieht, weiß man aber ja bereits ungefähr von der Show-Promotion – nur, dass der am morgigen 13. Februar 2023 62 Jahre jung werdende mittlerweile ein wenig älter und dünner als auf den Bildern aussieht).
Insofern: gerne bald wieder – und nicht nochmal rund 20 Jahre Graz-Abstinenz bitte.

Henry Rollins

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