Head Wound City – A New Wave Of Violence

by on 25. Mai 2016 in Album

Head Wound City – A New Wave Of Violence

Elf Jahre nach der Debüt-EP legt das Konglomerat aus Mitgliedern von The Blood Brothers, The Locust und den Yeah Yeah Yeahs tatsächlich noch einmal nach: A New Wave Of Violence schöpft dabei nur zu genüsslich aus dem Fundus aller Beteilgten und erweitert das Genre-Amalgam von Head Wound City an zahlreichen Fronten.

Seit wir die designierte Three One G-Supergroup Head Wound City das letzte Mal gesehen haben ist viel passiert. Die The Locust-Achse der Kombo gab sich enorm umtriebig: Gabe Serbian und Tausendsassa Justin Pearson schossen bis zu den heutigen Flagschiffen Retox und Dead Cross mit einer Schar an zahlreichen Projekten nur so um sich, Langeweile kam rund um Knaller wie Ugly Animals, YPLL und Beneath California jedenfalls keine auf.
An der anderen Front trieb es Cody Votolato nach dem Ende der unersetzbaren, 2014 nur kurzzeitig wiedervereinten Blood Brothers neben dem unlängst erfolgten Gastspiel bei Against Me! etwa zu Johnny Whitney’s Pop-Spielwiese Jaguar Love oder zu den Krawallbastarden von Into Violence, während die großartige Konkursmasse Past Lives mit Brüllwürfel Jordan Blilie leider schon seit sechs Jahre brach liegt. Und Yeah Yeah Yeahs-Gitarrist Nick Zinner? Der hat sich abseits vereinzelter Beiträge zu Alben von Santigold, James Iha oder Scarlett Johansson vor allem als Fotograf verdient, weil seine Stammband seit 2014 bekanntlich auf Babypause-Eis liegt. (Vielleicht auch nicht das schlechteste angesichts solcher Ergüsse wie Mosquito).

Kein Wunder also, dass gerade Zinner Bock auf die alte Noisecore-Spielwiese bekam und die Mannschaft 2014 wieder für einige Shows zusammentrommelte. Dass der Funke dabei schnell aufs Neue übersprang und das Quintett unter der Regie von [amazon_link id=“B002VH8LY2″ target=“_blank“ ]Burn, Piano Island, Burn[/amazon_link]-Spezi Ross Robinson das Studio verwüstete – umso besser!
Warum der selbstbetitelte Einstand 2005 gemeinhin nur als EP durchging, ist nun nicht nur insofern klar, weil A New Wave Of Violence bei zehn Songs in 25 Minuten die durchschnittliche Länge einer Head Wound City-Schlammschlacht eklatant nach oben kurbelt, sondern weil die Gang aus San Diego/Seattle/New York City auf ihrem offiziellen Debütalbum ihren Sound auf eine breitere Basis stellt, Tempo und Dynamik im abwechslungsreicheren Songwriting deutlicher variiert und sich damit Facetten abringt, die auf Head Wound City so nur schwer Platz gefunden hätten.

Alleine das abschließende Love is Best geht da mit seinen 4 Minuten Spielzeit beispielsweise gar als regelrechter Prog-Erguss im Kontext durch: Mit schief-torkelnder Noise-Kante arbeitet sich die Band halluzinierend aus schwerfällig um zersetzte Gesichter groovenden Untiefen empor, zieht die Zügel auf die letzten Augenblicke hin immer enger, steigert die Spannung zu einer implodierenden Kakophonie, die abrupt endet: Der reine Kanon aus Grindcore, Mathcore und Noisegrind ist Head Wound City zu diesem Zeitpunkt längst zu eng geworden, experimenteller Rock ist längst in den aufgeräumter randalierenden  Bandsound assimiliert worden, man schmückt das Gemetzel äußerst gedankenvoll aus.
Am anderen Ende der Platte eröffnet Old Age Takes Too Long anstandslos mit Synth-Anstrich polternd und finsterer Miene, explodiert bald in hyperventilierenden Gitarren-Schüben und ist mit seinen „Wooohoooo„-Gesängen den Pit ankurbelnde Stimmungsmusik in unablässiger Lauerstellung samt Tribal-percussiver Ungemütlichkeit. Born to Burn gibt dagegen nahezu klassisch – eine jammige Ausfahrt auf dem Highway lässt sich die Band jedoch nicht nehmen. Head Wound City, USA erinnert so frappant an die Blood Brothers (freilich ohne hypermelodischen Gegenpart, womit der Song damit doch vor allem sein eigenes Hohheitsgebiet mit hysterischen Geschrei und Stakkato-Gitarren vermisst und immer wieder den Turbo anschmeißt).
Da weiß man sofort wieder, was man an den Jungs in dieser Konstellation hat: A New Wave Of Violence ist auf seine Art und Weise enorm eingängig, aber dennoch stets ungemütlich gegen den Strich gebürstet, unangepasst und angepisst, bei jeder gelegenheit Giftpfeile verschießend. Eine Szene-Hitschleuder irgendwie, die zwar nie das erschöpfende Element der einzelnen Stammbands hofiert, weswegen A New Wave Of Violence eher wie eine fiebrige Exzess-Party ohne spektakuläre Genre-Eigenheiten funktioniert, die sich eher in der eigenen Vielseitigkeit austobt, als Genieblitze und wirklich überragende Ausnahmemomente zu erzwingen.

Egal, dafür gibt es hier ohnedies noch so viele weitere grandiose Einfälle in abliefernd starken Songs zu finden: Die Powerviolence-Orgie I Wanna Be Your Original Sin besticht explizit durch ihre austickenden Gitarren-Ideen; das permanente Wechselspiel aus Irre und gefühlvoll zurückgenommenen Ausbremsungen in Avalanche in Heaven reißt hirnwütig mit; I Cast a Shadow for You stampft fast schon psychedelisch um sich selbst hypnotisierend, die Gitarren klingen nach Post Punk-Überresten, der Gesang kommt beschwörend über den Äther säuselnd und verführerisch eingängig daher – dass Head Wound City dazwischen stets Stunk anrühren müssen, sollte trotzdem klar sein.
Wie Scraper auf einen rhythmisch dahinlaufenden Beat gebaut ist, um den die Gitarren abgesetzt hacken, bevor das Szenario herrlich eskaliert, setzt dann ebenso famose Akzente wie Closed Casket, das den generellen Hang zur weniger rauh produzierten, verdammt rockigen Catchyness von A New Wave Of Violence am unverschämtesten destilliert.
Am Ende steht trotz dieser ständigen Unberechenbarkeit dennoch eine erstaunlich runde Neugeburt. Dass diese den Eindruck hinterlässt, dass Head Wound City hier erst einmal nur aufwärmend am vorhandenen Potential kratzen, angestauten Druck abbauen, ohne an Revolutionen zu denken, schmälert die Freude über diese abliefernde Rückkehr allerdings in keinster Weise. Denn obwohl sich A New Wave Of Violence vielmehr nach einem ambitionierten Startschuss mit unerfüllendem Suchtpotential anfühlt, ist dieser Sprint anstandslos eines der erfreulichsten Comebacks des Jahres.

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