Hayley Williams – Petals for Armor I
Hayley Williams tritt 2020 etappenweise aus dem Scheinwerferlicht von Paramore und überrascht mittels des Albumteasers Petals for Armor I durchaus mit ihren Ambitionen.
Aktuell ist es offenbar in Mode, seine Langspieler in Segmente aufgesplittet zu veröffentlichen – man frage beispielsweise auch Moses Sumney. Aufgrund dieser dem Streaming-Zeitalter- und Geist geschuldeten Aufmerksamkeitsdefizit-Praxis wird sich auch erst zeigen müssen, ob das Solodebüt der 31 Jährigen Amerikanerin Williams über Petals for Armor I hinausgehend eine Songsammlung mit dezent in sich getragener Unentschlossenheit sein wird, oder ob die hier vorausgeschickten fünf Songs als Quasi-Teaser (der beim Erscheinen der vollständigen Platte freilich obsolet sein dürfte), eher die Bandbreite zeigen sollen, die das Gesamtwerk wiedergeben wird.
So oder so: Die Vorfreude und Erwartungshaltung auf das reguläre Album steigt durch die nun bereits veröffentlichten 18 Minuten der Petals for Amor-Reihe – obwohl ja bereits spätestens Williams Gastauftritt im überragenden Uncomfortably Numb von 2019 gezeigt hat, dass man sie längst nicht mehr nur auf den Poppunk auf ihre Band reduzieren sollte.
Drei Jahre nach der in die Binsen gegangenen Ehe mit Chad Gilbert ruft sie also „the best way for me to protect myself is to be vulnerable“ als Credo aus, macht in ihre zutiefst eklektisch und assoziativ von Paramore-Kumpel Taylor York am Produzentenstuhl verankerten Kompositionen kein Geheimnis aus ihren Vorbildern, indem sie sich als Platzhalter für St. Vincent (ungefähr für jene Epoche, als diese noch Hosen trug) empfiehlt und als gelehrige Schülerin von Radiohead inszeniert.
Simmer ist schließlich tanzbarer, pulsierender Indie Pop mit einem nicht zu einfach treibenden Rhythmus, der auch Phil Selway gefallen könnte, dazu sorgsam wummernden Synthies, abgedämpft perlenden Gitarren und einer bezaubernden Melodie. Gut, die Texte sind mit Zeilen wie „Mmm and if my child needed protection/ From a fucker like that man/ I’d sooner gut him/ ‚Cause nothing cuts like a mother“ nicht so ausgefeilt, wie die ätherisch aufgelöste Physis der eingängigen Nummern komponiert ist. Ganz generell hat Williams lyrisch zuletzt schon interessanter gearbeitet – doch der Einstieg in Petals for Armor I gerät absolut einnehmend.
Das nautisch-jazzig schlingernde von Leave it Alone ist in diesem Koordinatensystem sogar noch besser, groovt wunderbar subversiv und verträumt, liebäugelt gar mit dem sanften Bad im orchestralen Instrumentarium, bleibt aber wie die schüchterne kleine Schwester von A Moon Shaped Pool. Cinnamon konkretisiert dagegen die Konturen durch den greifbaren Beat, könnte ungefähr von Actor stammen, bis die Nummer mit aufgeweckten Gitarren in die Disco marschiert, dort elegant auf der Tanzfläche auftritt, durchatmet und sogar flüchtig mit dem Funk flirtet – ohne restlos imposant nachzuwirken oder über die Fehler von The Center Won’t Hold zu triumphieren.
Creepin‘ gurgelt die bezaubernd filigrane Anmut von Annie Clark sogar noch nahbarer, doch der aufdringlich für Akzente sorgende, elektronisch modulierte „Why you creepin round here?“-Part sorgt auf Kosten der ansonsten herschenden Harmonie für Impulse im basslastig-kompakt nach vorne orientierten Song – und lässt das gleichermaßen pointierteste wie anstrengendste Stück der EP fragmentarisch anmuten.
Sudden Desire kippt erfolgreicher im Kontrast aus in sich gekehrter, nachdenklicher Intimität und einem wuchtigen Elektropop, der ein dramatisches, leidenschaftlich aufbegehrendes Björk-Tribut beschwört: Williams dirigiert den lebendigen Song versiert am Steuerrad zwischen seinen Polen.
Schade nur, dass sich die Stücke in diesem Kontext jedoch weder an einem übergeordneten Spannungsbogen messen, noch ein anvisiertes Ziel erschöpfend erreichen. Dies spricht allerdings alleine gegen ausschnitthaft Teil-Veröffentlichungen wie diese – nicht aber gegen das weitestgehend hervorragende Songmaterial an sich.
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