Harry Styles – Harry’s House
Harry Styles zeigt auf seinem dritten Soloalbum, das charttauglicher Pop keinesfalls schlecht sein muss, sondern auch sympathisch und angenehm funktionieren kann. Mehr gelingt Harry’s House dann aber leider auch nicht.
Egal was die abschließende Wertung an dieser Stelle womöglich suggerieren mag: Harry’s House ist wirklich kein schlechtes Album, nein, überhaupt nicht – genau genommen noch nicht mal ein schwaches. Es ist sogar viel mehr eines, das man kaum schwach oder schlecht finden kann; eines das man unbedingt mehr mögen möchte, als man es tatsächlich tut. Weil es einfach so verdammt unbeschwert eingängig und kultiviert ist, geschmackvoll und nie billig, sommerlich locker und geschmeidig leicht bekömmlich.
Einzig: Die 43 Minuten der Platte sind ohne Reibungspunkte auch weitestgehend schnell vergessen, es bleibt selbst mittelfristig praktisch nichts zwingendes hängen, es gibt keine großen Melodien oder Hits. Alle Songs laufen dahin, um zu enden, wie sie begonnen haben, stellen vor keine Herausforderungen und agieren so unproblematisch wie möglich.
Und trotzdem macht diese lauwarme Hintergrundbeschallung für Klamottenshop-Ketten, gemütliche Hausarbeit im von Ikea eingerichteten Appartement oder Werbungen, in denen die Aufmerksam kurz charismatisch eingefangen werden soll, ohne vom Produkt abzulenken, im Grunde gar nicht wirklich etwas falsch, sondern begleitet gefällig – ist eigentlich der ideale Konsens, der niemandem wehtut, im Umkehrschluss jedoch auch nicht begeistern kann.
Im (die Meta-Selbstreflektion vorwegnehmenden) Opener Music For a Sushi Restaurant begleitet ein funky bass nonchalant stompend durch milde Sonnenstrahlen, der Rhythmus und das Falsett sowie die für den Club wie Fanfaren tauglichen Synthies werden Anderson. Paak sicherlich gefallen – nur dass der dies reizvoller inszenieren würde Der entspannte Singalong Late Night Talking ist exemplarisch kantenfrei und austauschbar, aber paradoxerweise zu harmlos und nett, um komplett egal zu sein, derweil sich Cinema irgendwo dazwischen wie eine Easy Listening-Session von Daft Punk anfühlt. Grapejuice klingt am relaxten Beat, Piano und Stimm-Effekt wie der brave und auch latent langweilige Bruder der Flaming Lips, während sich der flott-zügige Ohrwurm As it Was einen charmanten Platz auf Urlaubs-Playlisten des Jahres 22 klarmacht. Hier fehlt nur der letzte Meter zum Feuerwerk.
Daylight plätschert so unaufdringlich wie möglich, daran ändert auch die pompösere Rock-Kante am Ende nichts, derweil die wirklich schön verträumte Elegie Little Freak mit reduziertem R&B-Rhythmus und der Nostalgie flirtet. Daydreaming schielt mit schwerelosen Bläsern zur minimalistischen Pharrell-Revue und Keep Driving gondelt bequem in der Mitte der Straße, wohingegen Satellite ein paar Disco-Tendenzen zeigt, freilich ohne die Schlaghosen tatsächlich auf der Tanzfläche schwitzen zu lassen.
Am besten sind dann zwar die Momente, in denen Harry eine introspektive Nahbarkeit zeigt – das traurige Matilda ist ebenso eine einfühlsam berührende Acoustic-Miniatur wie die bitter-süße Schönheit der Melancholie Boyfriends, bevor Love of My Life eine subtile Romantik emporhebt – doch ist Harry’s House trotzdem eine Platte, die emotional kaum etwas mit einem anstellt, sich selbst oder die Gefühle des Hörers nicht bewegt, eben gut nebenher funktioniert – und mit 5 Punkten eigentlich um einen Zähler zu gering bewertet erscheint. Doch wann immer eine interessante Facette auftaucht, wird diese zu Gunsten der Konfrontationsfreiheit unverbindlich abgehandelt, weswegen Harry’s House tolle Ansätze andeutet, aber eben stets risikoloser in seiner Komfortzone bleibt, als es ihm guttut. Das ist primär eigentlich nur deswegen enttäuschend, weil so viele Szenen hier aufzeigen, wie spannend es außerhalb dieser vier Wände für Styles zugehen könnte.
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