Harp – Albion
Bittersüßer, dunkel verführender Indie-Dark Folk, durch einen Nebel aus Goth, Dark Wave und New Age-Postpunk durchzogen: Tim Smith wandert rund 12 Jahre nach dem Ausstieg bei Midlake mit seiner Frau Kathi Zung als Harp durch Albion.
Albion ist wohl bis zu einem gewissen Grad schon das Album geworden, dass man sich nach The Courage of Others von Midlake (sofern man nicht auf eine stilistische Rückkehr zu The Trials of Van Occupanther hoffte, sondern mit dem eingeschlagenen Weg der Gruppe sehr zufrieden war) zu erwarten gewagt hätte, wäre Tim Smith Teil der Band geblieben: Vom Intro The Pleasant Grey weg (das gewissermaßen über die Interludes Chrystals und Moon als zurückgenommen plätschernde Zwischenspiele fortgesetzt werden, die dem ohnedies nicht sonderlich rasanten, aber durch den allgegenwärtigen Schwermut sehr dichten Album-Fluß dennoch als instrumentale Müßiggänge durchatmend gut tun) zupft Smith mit seinem unbedingte Assoziationen an Acts of Men und Co. knüpfenden Organ ruhig einen mystischen, unaufgeregten Folk, der durchaus zum kultischen Artwork passt.
Schon dort, in den Anfängen der Platte, zeigt sich allerdings auch die Evolution von Harp über den damaligen Horizont von Midlake hinaus, weil esoterisch-sphärische Synthies, anachronistisch und doch direkt aus den 80ern zu kommen scheinend, das Geschehen und die Ästhetik maßgeblich mitprägen.
Das düstere I Am the Seed baut darauf seinen Charakter unter einer Nostalgie und bekümmerten Anmut auf, klingt jedoch so auch wie eine entschleunigte, weiche Postpunk-Trance. A Fountain schunkelt versöhnlicher und sanfter, lässt seine Keyboards wie Bläser-Arrangements schweifen, wonach Daughters of Albion in tröstendem Wehmut beinahe erhebend anmutet und mit toller Hook einen aus der Zeit gefallenen, so vertrauten Instant-Ohrwurm anbietet: trotz einer stilistischen Geschlossenheit, die jedoch keiner wirklichen Gleichförmigkeit anheim fällt, kennt Albion durchaus Variation. Es ist auch kein schwieriges Album, sondern ein intuitives, dessen Melodien eine angenehme Vertrautheit entwickeln, wiewohl im Dienste der übergeordneten Atmosphäre stehen.
Country Cathedral Drive perlt friedlich im Ambient, lässt sich an Grenze zum Jam in ein delirantes Outro treiben und Shining Spires sehnt sich als eines der offenkundigen Highlight der Platte in derselben Einsamkeit wie How to Disappear Completely nach dem Aufblühen einer verhaltenen Feierlichkeit a la Rufus Wainwright. Silver Wings hat ein bisschen The Smiths– und The Cure-Jangle-Flair in der elegischen Kontemplation und Seven Long Suns schunkelt phasenweise unter der Patina einer keltischen All-You-Can-Eat-Buffet-Muzak in progressivem englischem Traditionalismus wiegt.
Wie sehr sich das Finale der Platte danach öffnet – mit dem flott tänzelnden Throne of Amber, das mit malerischen Naturalismus zu schwermütig für den Dancefloor bleibt, und Herstmonceux, das aus dem sakralen Schimmern weiter in die 80er taucht als die vorangegangenen Nummern hier, dabei aber zudem eine hoffnungsvoll und gelöste Ader freilegt, während Smith intoniert wie John Grant – unterstreicht allerdings dann auch, dass Albion über weite Strecken ein in seinem eigenen Saft brütendes In-Sich-Gehen ist; sich etwas konsequenter mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt, als mit dem Aufbruch zu neuen Ufern.
Womit Smith ganz bewusst in Kauf nimmt, sein Comeback eher über das Gefühl funktionieren zu lassen, wie verdammt gut es tut, sich wieder an diese charismatischen Stimme zu schmiegen, sich von ihr in eine jenseitige, aus der Zeit gefallene Welt mitnehmen zu lassen – also auf Understatement zu setzen, als per se zu begeistern. Ganz ohne Spektakel macht Smith damit jedoch gerade zu dieser dunklen Jahreszeit wenig falsch.
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