Hamilton Leithauser + Rostam – I Had a Dream that You Were Mine
Die Zusammenarbeit zwischen den ehemaligen The Walkmen-Frontmann Hamilton Leithauser und Ex-Vampire Weekend-Multiinstrumentalist Rostam Batmanglij hat bereits auf Black Hours ganz ausgezeichnet funktioniert. Dass das Duo für I Had a Dream that You Were Mine nun gleich auf Albumlänge kooperiert, ist da eigentlich eine so logische wie willkommene Konsequenz.
„I play the guitar, and he makes it sound better“ analysiert Leithauser nüchtern, trifft damit den Nagel auf den Kopf und greift dennoch zu kurz. Rostam Batmanglij hat sich zuletzt zwar vor allem als akribisch arbeitender Produzent (etwa für Frank Ocean oder Solange Knowles) einen Namen gemacht, auf I Had a Dream that You Were Mine stemmt er nun jedoch auch merklich weite Teile des Songwriting-Prozesses. Dass Leithauser sich gerne in diese fallen lässt ist verständlich: Batmanglij hat verstanden, wie er die immanente Sehnsucht und die zeitlose Romantik am besten zur Geltung bringt, die die markante Ausnahmestimme des New Yorkers unmittelbar umgibt; die jedes Wort aus seinem Mund wie eine alte Weisheit aus vergangenen Tagen klingen lässt; wie erffahrene Anekdoten vom eigenen Grossvater, der immer noch hungrig um die Häuser zieht.
Die „same old voice„des ehemaligen Walkmen-Aushängeschildes provoziert also weiterhin das Bild des intellektuellen Unruhestifters und charmanten Trunkenboldes, in der Spannweite aus Melancholie und Euphorie am einsamen Heimweg aus der versifften Spelunke – den feiernden Hoffnungsschimmer vor Augen aber die ächzende Last der Welt im Rücken, die vom schunkelnden Opener A 1000 Times weg so herrlich altmodisch, so bedingungslos romantisch, durch schiefe, aber mit soviel Rückgrat versehene Songs schwankt; die stilistisch das kunstvoll Verspielte von Vampire Weekend mit dem stattlich angetriebenen Understatement von The Walkmen lässig ausbalancieren.
Mehr aber eben noch: Das ohnedies schon so umtriebige Beschäftigungsfeld von Leithauser um einige passgenaue Szenen erweitern.
Die 50er sind im nonchalante Sho-Bap-Pop von Rough Going (I Won’t Let Up) zum Greifen nah, das Piano purzelt schnipsend und mit torkelnder Rückendeckung aus der nächsten Bar, die grundierende Orgel und die Trompete klingen nach eleganten Besäufnis; auch When The Truth Is… mit seinen verhallten Soundschichten ist ein Blick in die Vergangenheit, dem Bläser und Schlagzeug immer wieder ein Bein stellen.
Durch das gezupfte In A Black Out – soundtechnisch mit stacksenden Bass und Westerngaul-Rhythmus praktisch eine waschechte Walkmen-Einkehr – ziehen sich mit anschmiegsamen Summen und leisen Gospelchören die gefühlvollen Produzenten-Kniffe von Batmanglij: Der Mann weiß, wie man feine Akzente setzt, altbekannte Stärken unterstreicht und diese dennoch in ein neues Licht taucht; klangechnisch so gefinkelt arangierte Variationen fast unmerklich strahlen lässt, ohne sie in den Vordergrund zu drängen. Das Banjo-schwangere Peaceful Morning mutet deswegen wohl auch ein bisschen so an, als hätten Vampire Weekend ihre Diplome abgegeben und die Ärmel aufgekrempelt, um sich dandyhaft zurückzulehnen. Jeanhose statt Polohemd. I Had a Dream that You Were Mine ist eben eine so bodenständige wie auch schlaue Platte, das Leben genießend und erleidend. So viele andere Ideen strotzen da vor weiter zurückreichenden Referenzen, gehen aber im erfrischend leichtgängigen Ganzen nahtlos auf: Rostam hat Hamilton merklich eine neue Lockerheit eingeimpft.
Das entspannt nach vorne gehende The Bride’s Dad ist dann insofern auch mehr Bob Dylan als Rod Steward, Tom Petty oder Leonard Cohen, packt aber irgendwann Slidegitarren, umherstreunenden Soul und in alle Richtungen stavanzenden Chamber-Pop aus: Batmanglij hat in jeder Ecke, unter jeder Falltür der Kompositionen sein reichhaltiges Intrumentenarsenal versteckt; bietet hinter der offensichtlichen Leichtigkeit der Melodien soviel zu entdecken, zum unscheinbaren verlieben.
Manchmal shuffelt I Had a Dream that You Were Mine als so homogenes wie vielseitiges Schaulaufen durch die verschiedensten Stile amerikanischer Traditionsmusik dann dermaßen schmissig wie das mit Country-Finale auftrumpfende The Morning Stars, verleibt sich herzerweichend zärtlich die liebreizende Angel Deradoorian ein oder öffnet seine Arme ausnahmsweise so pompös wie im wuchtig die Opulenz suchenden You Ain’t That Young Kid, das einem mit nostalgischen Lächeln die Tränen der Vergänglichkeit in die Augen treiben: „Pictures of us dancing/ From a thousand years ago/Late enough to kiss you/ Still too early to ago„. Und plötzlich ist sie da, die Wehmut wegen Epochen, die es so wohl gar nie gegeben hat.
Es ist auch diese imaginative Kraft, die das so bildliche I Had a Dream that You Were Mine ausmacht. Die Momente tiefster Vertrautheit schafft und dennoch so überraschend unbekannt bleibt – und sich eigentlich nur den Vorwurf gefallen lasen muss, dass diesem Kooperationswerk während seiner wie im Flug vorbeihuschenden 41 Minuten nur die Unbedingtheit und Nachdrücklichkeit der besten Vampire Weekend oder The Walkmen-Augenblicke abgeht.
Aber dieses offensichtlichen Vergleichen entwischt I Had a Dream that You Were Mine zum einen ohnedies immer wieder geschickt, ambitioniert und mühelos – und zum anderen werden die erst am Anfang stehenden Kumpel Rostam und Leithauser an dieser gleichermaßen als Stärke zu sehenden Nahverwandschaft sicher noch arbeiten – den spätestens jetzt ist klar, dass sich hier ein kongeniales Gespann gefunden hat.
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