Guitar Wolf, Salamirecorder & The Hi Fi Phonos, The AweZombies [21.11.2023: Music House, Graz]
Die japanische Jet Rock ’n‘ Roll-Legende Guitar Wolf fegt durch Europa – was in Graz allerdings kaum jemanden zu interessieren scheint.
Das Gros der Zuschauerschaft scheint jedenfalls gefühlt (und auch der einen oder anderen Unterhaltung nach zu urteilen) durch das Wiener-Trio Salamirecorder & the Hi Fi Phonos in das Music House gelockt worden zu sein (nachdem The AweZombies den Abend für einen Wochentag ernüchternd spät um 21.00 Uhr gestartet haben): voller als bei dem ersten Gastspiel der Jungspunde in Graz wird es vor der Bühne an diesem Abend (der zugegebenermaßen mit dem Fußball-Länderspiel gegen Deutschland und dem Auftritt von Fear Factory im PPC durchaus Konkurrenz hat) nämlich nicht.
Es wollen eben doch ein paar Leute auch in der Murmetropole Zeuge davon werden, wie Salamirecorder in bester Ty Segall-Manier unterstreicht, weswegen der gebürtige St. Pöltner seit geraumer Zeit als eine der heißesten Aktien im 60s-Business gilt. Getragen von einem stoischen, brav konzentrierten Bass und mitreißend energischen, wenngleich rhythmisch wenig variablen Drums, erschöpft sich das Salamirecorder-Songwriting zwar irgendwann im zwangsläufigen Korsett des Szene-Sounds in einer gewissen Gleichförmigkeit, doch halten Charisma, Präsenz und die Spielfreude der Gruppe absolut an der Stange, der Funke springt rund um die schmissigen Nummern von Goods for Conversation sofort über!
Um viertel nach elf – also noch eine Spur später, als der besorgniserregende Timetable schon vorab Bange machte – stehen dann die drei Japaner des nominellen Hauptacts auf der Bühne und wollen loslegen…doch deren Bitte, das Licht hochzudrehen (man spielt schließlich stilecht nicht nur im eigenen Fashion-Leder, sondern auch mit Sonnenbrillen!) wird trotzdem erstmal nicht nachgekommen, derweil die Ramones weiterhin unbeirrt die Location beschallen. Eine ziemlich absurd anmutende Situation, wiewohl alleine ob der allgegenwärtigen Sprachbarriere zur Band durchaus repräsentativ.
Irgendwann ist aber dann doch klar, was Guitar Wolf wollen: Das Licht geht an, Seiji und Gotz kippen auf ex ein Bier zu Jingi Naki Tatakai no Theme – und danach gibt es praktisch kein Halten mehr, die Garage-Smasher und Punkrock’n’Roll-Bestien geben sich die Klinke furios in die Hand.
Bandleader Seiji und mutmaßlich auch Gotz mögen beide über 60 sein, doch werfen sich die zwei von einer Pose in die nächste, springen auch ohne Explosivität durch eine kraftvoll alle Klischees als Katalysatoren nutzenden Energieleistung, die die Attitüde über technische Präzision stellt. Sie basteln im dünn besetzten, aber mitunter enthusiastisch mitgehenden Zuseherraum an Vorraussetzungen fürs Stagediven samt gefressenem Mikro, rotzen den Boden voll, werden die Fäuste in die Luft und eskalieren exzessiv, derweil Drummer Shingo (seit 2022 an Bord) den exzessiv nach vorne gehenden Laden zusammenhält.
Irgendwann landet die Gitarre in den Armen einer Zuseherin (…), sie soll doch einfach Kick Out the Jams spielen, is ja nix dabei – woraus sich dann auch wirklich ein rudimentär erahnbarer, ausufernder Statement Jam mit nebulösen Instruktionen von Guitar Wolf himself entwickelt; halb-stilecht abgeschlossen durch ein verschwitztes Crowdsurfen.
Nach dem exzessiven Finale kollabieren Gotz und Seiji dann auch nachvollziehbar hinter der Bar, kommen aber für eine Zugabe wieder (zu bemerken, dass die Gitarre nicht mehr am Verstärker angesteckt ist, und diesen Umstand dann auch noch mit eingeschränkter Feinmotorik zu beheben, ist spiegeltechnisch nur theoretisch ein Problem), die im hemmungslosen Strom seine einzelnen Song-Bestandteile in einen wahren, puren Rausch bündelt.
Der Leitwolf will dann später aus dem Fujiyama den Großglockner machen (was aber eher nach „Großpapa“ gebrüllt klingt) und bittet um Tequila, den er unter gröberen koordinativen Schwierigkeiten auch dem Barkeeper kredenzt, bis kurz vor halb eins in der Früh mit einer Verneigung vor den Beatles doch Schluss sein muss.
Dass zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise längst nur noch rund zwei Dutzend Leute im Music House sind, hat der Hingabe von Guitar Wolf keinen Dämpfer verpasst, nicht einen Millimeter Druck abgedreht: mit welcher Energie, Hingabe und Hemmungslosigkeit sich das Trio ungeachtet der Umstände verausgabt, ist viel eher beeindruckend, macht es eigentlich unmöglich, in Worte zu fassen, wie unendlich viel Bock diese räudige, schonungslose Band ohne jede Altersmilde macht.
Kurzum: da hat der Punkverein Austria einen schlichtweg in vielerlei Hinsicht unvergesslichen, einfach saugeilen Abend auf die Beine gestellt. Cheers!
Setlist (Ohne Gewähr):
Ookami Wakusei
Missile Me
Kan-Nana Fever
Kaminari One
Invader Ace
JETT LOVE
Jet Generation
Kenka Rock
UFO Romantics
Kasei Twist
Summertime Blues
Kick Out the Jams
Rumble
All Night de Buttobase!!Encore:
I Can’t Turn You Loose
[Sex Jaguar?]
Fujiyama Attack
I Love You, OK
I Saw Her Standing There
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