Guillemots – Hello Land!
Fyfe Dangerfield und die Seinen finden langsam aber sich wieder zur bedeutungsschwangeren Leichtigkeit ihrer Anfangstage zurück. ‚Hello Land!‘ spricht diesbezüglich nicht nur aufgrund seiner Entstehungsgeschichte Bände.
Gerade einmal acht Songs zählt ‚Hello Land!‚ bei 45 Minuten Spielzeit, die durchschnittliche Laufzeit dieser relativiert sich zudem ordentlich, wenn man den kurzen Atmosphären-Opener ‚Spring Bells‚ wegradiert. Unter der fünf Minuten Grenze machen es die Guillemots nur widerwillig und peilen auf ‚Byebyeland‚ sogar freizügig die zehn Minuten an. Ein Sinnbild für die berits auf ‚Walk the River‚ betriebene, positive Rückschrittlichkeit. Man wirft das erstickende Korsett ab, dass sich nach dem Triumphzug des Debütmeisterwerks ‚Through the Windowpane‚ auf die unbekümmert sympathische Megalomanie der englischen Band gelegt hatte und kehrt zu den Ursprüngen zurück: Da dürfen in einem Song schonmal Ideen für mindestens fünf verarbeitet werden, keiner sieht auf die Uhr und Strukturen nach Herzenslust aufgebrochen werden.
Dass das auf ‚Hello Land!‚ sogar noch expliziter betrieben wird, als auf dem schon wieder mit alten Stärken liebäugelten Leistungsnachweis ‚Walk the River‚ verdankt das vierte Studioalbum der Band auch seiner Entstehungs- und Veröfentlichungsgeschichte: Als Dangerfield im Jänner 2012 ein neues Album ankündigte, hätten wohl die wenigsten gedacht, dass sie dieses bereits knapp vier Monate später in den Händen können würden. Rüber Richtung Norwegen, mit Thomas Raabe ins Studio, das Norwegian Flute Ensemble wird auch gleich integriert und Streicherszenen haben ohnedies auf noch keinem Guillemots Album wirklich geschadet. D
ie eigentliche Überraschung ist dann auch weniger, dass ‚Hello Land!‚ die erste Selbstveröffentlichung der Band über The Guillemots Emporium of Fine Things seit 2006 ist, sondern dass es bloß das erste von vier fertigen Alben ist, die allesamt noch 2012 in Eigenregie veröffentlicht und Ende des Jahres abseits digitaler Downloads und CDs auch in einer schicken Vinylbox gesammelt erhältlich sein werden sollen. Die Guillemots verabschieden sich aus allzu traditionellen Veröffentlichungsrastern und genießen die neuen Möglichkeiten. So hat man sich das eigentlich auch von Beginn an vorgestellt: Dass Dangerfield und Co. ohne Anstrengung mittelschwere Geniestreiche aus dem Ärmel zaubern, quasi spontan. „We are TREMENDOUSLY excited about it.“ sagen Guillemots.
Endorphine auf Bandseiten, transportierte Glückseligkeit beim Hörer: Nach drei Minuten bekommt ‚Up On the Ride‚ plötzlich die mitreißende Twangkurve aus der Ballade, da müssen alle mit. Der Song wippt sich fröhlich durch seinen Chorrefrain und hätte so auch auf ‚From the Cliffs‚ nicht die Stirn runzeln lassen. Hier sind Guillemots am besten; wenn sie das Gefühl vermitteln, machen zu können, was sie wollen und ihren Songs alle Freiheiten zu gewähren. Dass ‚Fleet‚ ein unaufgeregter Lovepopsong mit reichlich Zurückhaltung ist, macht ihn hinter seiner unspektakularen Fassade zum Hingucker. Und außerdem: Dangerfield kann ohnedies singen, was er will, der berührt mit seiner samtweichen eindringlichen Stimme ohnedies zu jedem Zeitpunkt. Reduziert melancholische Klangkörper wie ‚Southern Winds‚ unterstreichen derartige Virtuosität nur zu freimütig.
‚Hello Land!‚ kultiviert zudem seine Artenvielfalt. ‚Outside‚ klärt die in den Dub stierende Sache mit der unmittelbaren Tanzbarkeit, ohne auf müßige Retrodiscospirenzchen zurückgreifen zu müssen. ‚Nothing’s Going to Bring Me Down‚ zeigt den Trick mit der aufbauenden Hymnenhaftigkeit aus der Melancholie heraus und ‚Byebyeland‘ will dann gar nichts anderes sein, als der wärmende Hoffnungsschimmer aus dem dichten Nebel, mutiert aber irgendwann wieder zu dieser Guillemots typischen Sicht auf Weltmusik. Entlässt ‚I Lie Down‘ in gospelangereicherter Stadionrock-Anmutigkeit, tut er dies auch mit einem zwiespältigen Eindruck: ‚Hello Land!‚ vereint ausnahmslos tollen Songs – im Ausnahmefall gar die besten seit den Debüt – und versagt doch auch dabei, diese zu einem rundum erfüllenden Ganzen zu formen. Der stringenten Sinn für Dramaturgie wird zugunsten des freien Flußes hinten an gestellt, von einem wahllosen Sammelsurium aus dem reichhaltigen Songpool will man dann aber odch nicht sprechen. Obwohl sich die Guillemots wieder ihrer Topform zu nähern scheinen, bleibt der Eindruck von vergeudetem Potential. Kommen dabei dennoch derart wunderbare Songsammlungen wie ‚Hello Land!‚ heraus, ist das wahrlich zu verkraften.
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