Guided by Voices – Strut of Kings
Die einen oder anderen sind schon weiter mit dem Zählen, doch offiziell ist Strut of Kings im Jahr nach dem Jubiläumsjahr das insgesamt 40. Studioalbum von Guided by Voices. Dazu das erste und angeblich einzige 2024. Sicher aber ist es eines mit schönsten Artworks der Pollard‘schen Diskografie.
Was dem Bandkopf der unverwüstlichen, immer produktiven Institution selbst zum aktuellen Langspieler seiner Band auffällt: „To tell you the truth, I like unfocused albums, but this one seems more focused. The structures are more cohesive. It also has a nice balance of the genres in rock that I like. Some nice power pop songs but also some fairly crazy stuff. A good balance, emotionally, of heavy and light.“
Stimmt so, weil die 35 Minuten von Strut of Kings allgemein ausformuliert sind, wie es selten Material im GbV-Kosmos ist, und dabei sowohl im Kleinen, vor allem aber im durchdacht arrangierten Ganzen, über den skizzenhaften Demo-Charakter hinausgehen, sich irgendwo zwischen Isolation Drills und Earthquake Glue in einem Anachronismus bewegen. Das könnte 30 Jahre auf dem Buckel haben und klingt trotzdem frisch und motiviert.
Das geht sogar so weit, dass Strut of Kings phasenweise einen regelrecht progressiven Hang an den Tag legt (aber leider eher andeutet, denn konsequent durchzieht), wenn gleich der Opener Show Me the Castle sich über fast viereinhalb Minuten streckt, eine Hälfte lang schroff aufbaut und dann die andere mit gelöster Handbremse bespielt, nur um im Finale zwischen einer psychedelischen Jam-Kontemplation und kantigem Rock zu wechseln, und dabei den Ausstieg über ein abruptes Ende zu wählen. Später gibt Olympus Cock in Radiana den lauernden, schleichenden Rocker (der nebenbei den Titel der Platte klärt), indem er sich unkonventionell strukturiert bis zu retrofuturistischen Texturen streckt, bevor Leaving Umbrella orchestral suchend wie ein 60s-Nachglühen flimmert und endgültig in Aussicht stellt, dass Strut of Kings potientiell wohl ein neues Lieblingsalbum von …And You Will Know Us by the Trail of Dead sein könnte.
Wie alle Alben seit der zweiten Reunion ist auch Strut of Kings flächendeckend spitze, hat weitestgehend einen tollen Fluß und ein gut ausgeworfenes Pacing der Trademarks (eigentlich fällt nur This Will Go On als müde verschwommenes Acoustic-Delirium im mäandernd halluzinogenem Freakfolk ein wenig aus dem Kontext) und ein grundlegend tolles Niveau: das famose Fictional Environment Dream ist ein schmissiger kleiner, lockerer Ohrwurm in Aufbruchstimmung, und Dear Onion macht als rumpelnder Rocker (und einziger Song, der die Zwei-Minuten-Marke nicht knackt) ebenso wenig etwas falsch, wie der knackige Kopfnicker Cavemen Running Naked mit seinen tollen Gitarren, oder das weitläufiger-offen nach vorne gehende Timing Voice.
Dass diesmal kein Übersong aus dem Gesamtwerk herausragt, ist insofern durchaus stimmig. Und lässt sich auch locker verschmerzen. Weil Guided by Voices hinten raus nochmal besonders prägnant aufdrehen: Mit Bit of a Crunch, wo sich der ruhige, nachdenkliche Gitarren-Rahmen als zeitlose Nummer bald in seine entspannte Rhythmusgruppe fallen lässt, bevor Serene King seine fetzige Energie in eine catchy Hook steckt und Bicycle Garden Keep Fishing zum Fanfaren-Finale adaptiert.
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