Guided by Voices – Crystal Nuns Cathedral
Robert Pollard und Guided by Voices erleben seit der zweiten Reunion 2016 eine neue Hochphase. Crystal Nuns Cathedral – aka Studioalbum Nummer 35 – setzt insofern ein Ausrufezeichen: Ein paar hauseigene Instant-Lieblingssongs für das subjektive Best of springen einen diesmal schließlich förmlich an – gerade im Rahmen der Platte.
Eye City eröffnet hardrockig cool abgehangen und mit Streichern verziert, hat keine Eile, aber einen Fade Out mitten im wegflanierenden Höhepunkt – so hätte man sich zu Zeiten von Whatever People Say I Am I Am Not wohl den nichts mehr beweisen müssenden Albumcloser auf einer Platte des Spätwerkes der Arctic Monkeys vorstellen können. Re-Develop positioniert sich dagegen im gefühlten Acoustic-Windschatten von Led Zeppelin und fädelt die anachronistischen Hooks wie eklektisch ausgeborgte Déjà-vu-Versatzstücke der Rock-Geschichte aneinander, während Climbing a Ramp mit dringlich-zappelnder Hi-Hat und streicherindozierter Spannung zur Hymne tänzelt, um dann als fokussierter Indierock aufzumachen.
Excited Ones stampft und klatscht am anderen Ende asketisch shakend als straighter Ohrwurm, während Eyes of Your Doctor Dynamik und Tempo variiert, mal in Lauerstellung und dann am Gaspedal, und um dem Paket für Sekunden eine verschmitzte Countryrock- Outlaw-Schleife zu ziehen. Der Refrain im klavierbegleiteten Mad River Man klingt wie alter Bekannter, den man insgeheim schrecklich vermisst hat und das gelöst-harmonische Titelstück zeigt eine Aufbruchstimmung – als einzige skizzenhaft bleibende Komposition ins Nirgendwo, entlässt so allerdings vor allem mit der quälenden Frage, ob in einer auf Kohärenz ausgerichteten Pollard-Welt Opener und Closer nicht ihre Plätze tauschen hätten sollen.
Auch ohne diese Steilvorlage im Sequencing profitiert Crystal Nuns Cathedral jedoch von einer angenehm kompakt gehaltenen Tracklist. Denn wenn manches im Verlauf arg ungezwungen tändelt (gerade Birds in the Pipe braucht beispielsweise ein bisschen, um sein zerfahrenes Wesen zu einer feierlichen Ader zu bündeln – wäre anderswo aber wohl sogar ein überschwänglicher Choral geworden; Forced to Sea plätschert sogar noch legerer und länger enervierend), und nicht ganz auf den Punkt findet, ist die Platte als Gesamtes doch weitaus zwingender, als die latent müde Single Never Mind the List (die sich zumindest die grandiose Zeile „Make a fist when you pray“ auf die Fahnen schreiben kann) erwarten ließ.
Crystal Nuns Cathedral bietet neben seinen Highlights in einem ausfallfreien Reigen also auch rundum starke Standards irgendwo zwischen Moses on a Snail und Under the Bushes Under the Stars, macht kurzweilig Laune und vor allem: Lust auf Mehr.
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