Grouper – Grid Of Points
Ihr elftes Studioalbum als Grouper hat Liz Harris in Wyoming in knapp einer Woche aufgenommen: Grid of Points ist eine praktisch nahtlose Fortsetzung ihres wundervollen 2014er-Anästhetikums Ruins geworden, schürt dessen Rahmen aber gleichzeitig enger und lockert die Konturen dennoch bis knapp vor den Stillstand.
Ohne die instrumentalen Stücke von Ruins entfaltet sich das den stilistischen Faden aufnehmende Grid of Points in gerade einmal 22 Minuten. „Though brief, it is complete“ sagt Harris über diese konzeptionelle „idea that something is missing or cold“ und hat damit zumindest insofern Recht, als dass man ein vages Gefühl der Unfertigkeit hinter der Platte auch als anhaltes Mysterium rund um die Erscheinung Grouper deuten kann. Der dunstige Charakter, der über den fliesenden „impressions of mortality, melody, and the unseen-fleeting beauty“ schwebt, wirkt deswegen auch weniger roh, als vielmehr ungefiltert. Die Magie der Liz Harris ist eben eine nur schwer zu definierende Manifestation.
Wo Ruins die strukturelle Konventionalität der Grouper’schen Ambientwelten merklich schärfte, verschieben die sieben Nummern von Grid of Points den Fokus nun wieder dezent weniger scharf, ruhen noch nachdenklich in sich selbst. Dabei basieren auch sie auf einem konsequent sparsamen Wesen und der unbedingten Reduktion rein auf der Stimme von Harris, einem gespenstisch einsamen Klavier und mehr noch dem darum herum schwebenden Reverb-Raumklang, der in seiner aufgelösten Verortung beinahe als weiteres Instrument fungiert.
Grid of Points ist nach seinem sich selbst in die Harmonie begleitenden Acapella-Intro (das die Fleet Foxes in seiner skelettierten Form beinahe als überladene Effekthascherei enttarnen könnte und dem fortschwimmenden Ruins stimmig hinterherwinkt) entschlackt und entschleunigt bis auf die Knochen, verletzlich und intim, so filigran und unendlich melancholisch, behält sich dabei aber eine tröstende Wärme und schmiegt sich mit einer betörenden Schönheit in die Gehörgänge. Ein Appendix, näher an der Essenz.
Derartig, nun ja, konkret wie etwa ein Clearing vor vier Jahren agiert Grouper diesmal nicht wieder. Songs wie Parking Lot hätten in anderer Inszenierung eventuell dennoch immer noch vage Annäherungen an den Pop sein können – gerade auch, weil die Schemen auf Grid of Points nicht vollends verwischen, aber scheinbar ein Gros des noch vorhandenen Optimismus und der hellen Farbtöne aus den Kompositionen gewichen ist. Die Nummern bleiben geisterhafte Formen, deren Melodien niemals ganz greifbar werden, existieren in einem körperlosen Limbo. Ein Thanksgiving Song erzeugt gerade durch diese Entrückung allerdings auch eine universelle Nostalgie, während die kaum wahrnehmbare Dramatik von Birthday Song aus der Leere zwischen den Tönen zu wachsen scheint.
Aus dem bis zur Gleichförmigkeit enorm geschlossenen Ganzen stechen Highlights wie Driving, als niederschmetternde Blick zurück, oder das zärtliche Blouse mit stiller Geste vorsichtig hervor. Sie sorgen dafür, dass Grid of Points sich nicht in der Flüchtigkeit, in ein Sinnieren ohne Akzentuierung oder Prägnanz aufzulösen drohen könnte, bevor Breathing den Kreis als glimmernde Streicheleinheit schließt und doch auch ein wenig zu lose entlässt. Das Bindeglied Children wäre insofern vielleicht thematisch aus der Reihe getanzt, hätte aber nichtsdestoweniger ästhetisch stimmig als Silberstreifen am Horizont für einen versöhnlichen Schimmer gesorgt und den Kontext gerade als Abschluss bereichert.
Point of Grid fühlt sich an seiner kurzen Form dennoch richtig an, ist das Album durch die Kompaktheit doch auch – absolut relativ zu verstehen! – konzentriert und fokussiert, hält sich nicht mit Ballast auf, sondern treibt von der ersten Sekunde mit überwältigender Stimmung in seiner emotional aufwühlenden, nach außen hin so sedativen Trance.
Die Gedanken schweifen in dieser Umgebung ab, bleiben aber bei der Sache, verlieren sich nicht in einer lamentierenden Unwesentlichkeit, auch wenn die Bilder mitunter abstrakt mäandernd arbeiten. Die Songs mögen von der Beschaffenheit und Texturen schließlich zwar allesamt ähnlich veranlagt sein, doch entfalten sich die erzeugte Atmosphäre entlang der bezaubernd-entrückten Melodien als roter Faden in die Einsamkeit eines einnehmenden Klangkosmos. Harris nimmt an der Hand und umarmt, lässt den Geist mit meditativer und ätherischer Tiefenwirkung wandern, bezaubert mit einer so zärtlichen wie isolierenden Nahbarkeit, die außerhalb jedes Zeitgefühls existieren, und dessen an der Bahnübersetzung verweilendes Field Recording-Finale (aka Coal Train) wie eine hypnotisierende Illusion erscheint.
Das erste Grouper-Album seit vier Jahren ist wie ein flüchtiger Traum, an den man sich nach dem Aufmachen mit einem traurigen Lächeln und tränender Hoffnung erinnert, ohne genau zu wissen, weswegen. Auch Kritikpunkte (wie etwa, dass Grid of Points nicht gänzlich die erfüllende Gravitation von Ruins erreicht, der Weg von Paradise Valley eventuell erfüllender hätte sein dürfen, die Platte in unmittelbarerer Nachfolge zu Ruins wohl weniger mit der Erwartungshaltung hadern hätte können oder man Groupers dezidierte Ambientforschungen wie etwa das alterslose Doppel A | A von 2011 subjektiv aufgrund eines größeren Entdeckungsspielraumes faszinierender finden darf) verschwimmen da vor dem imaginativ wandernden Kopfkino. 22 Minuten dieser Frau wiegen eben schwerer, als es anderswo mehrstündige Epen tun.
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