Grimes – Visions

von am 8. März 2012 in Reviews

Grimes – Visions

Mit dem dritten Album in zwei Jahren geht Claire Boucher endgültig durch die Decke. Ihr feenhafter Elektropop ist aber ja auch zum Verlieben.

Das hier ist Märchen und Cyberpunk zugleich. „Post-Internet“ sagt die Kanadierin Claire Bocher dazu und meint die Melodieverliebtheit von Natasha Bat for Lashes Khan gekreuzt mit dem kühlen Dub des großen Mysteriums Burial; skizziert The Knife-Pop in freundlich, gebastelt aus organischen Laptopgeblinke das vorgibt aus alten Rechnern zu stammen. Die Beats schleppen sich und hüpfen umher, was Grimes mit so schwindelerregender Stimme auf der chinesischen Mauer von Gang Gang Dance ausgehend gen Osten tanzend säuselt, muss man nicht verstehen. Aber da hat jemand in seiner Jugend Kate Bush auf Napster geladen und wird sicherlich James Blake im Regal stehen haben – welches definitiv nicht nach Genres geordnet sein dürfte. Denn durch deren Grenzen sprintet auch das dritte offizielle Grimes Album so federleicht walzend.

Die Aufmerksamkeit die alleine aufgrund Bouchers blickfangenden Erscheinungsbild gegeben ist und durch nebulöse Statements untermauert ist, weicht schnell der Faszination dieser formvollendet zusammengewebten Bausteine. Vorweg sind da natürlich die Hits, die sich aus dem kompakten Laptoptanz schälen: ‚Genesis‚ hat Hymnenpotential für die Internetgeneration, ‚Oblivion‚ wird auf Jahre die Tanzflächen und Indierockstationen beschallen.  Noch interessanter sind aber die weniger am gängigen Popschema geschulten Exkursionen, freilich ebenso schmackhaft im Abgang: dezent unterkühlt pumpt das hypnotische ‚Symphonia IX (my wait is u)‚ über den Dancefloor und schlägt schlussendlich gänzlich den Hacken zum benutzerfreundlich zärtlichen Techno, das kann man sich direkt im Anschluss an den ‚Drive‚ Soundtrack reinpfeifen und den dramatischen Ansatz von ‚Vowels = Space And Time‚ gleich mitnehmen. ‚Nightmusic‚ flirtet dann mit der Oper, ist dann aber doch lieber großes Kino, seinem Namen entsprechend die flippige Sause, bedrohliche Schatten lauern hinter jeder Ecke.

Die dreizehnSongs von ‚Visions‚ marschieren dabei dem morbiden Cover entsprechend durch die Dunkelheit, Boucher mimt die hell leuchtende Führerin durch den dichten Elektropopschleier mit glockenheller Feenkinderstimme. Die Keyboardschwaden verschmelzen mit wabernden Synthieflächen vor flüssigen Beats zu einem Ohrwurmgewitter dass sich in den 80ern aufgeladen hat und in der Ästhetik der Jetztzeit niederregnet.  Genauso gut hätte ‚Visions‚ ein überbordendes Stück Indiepopbereicherung werden können, würde Autodidakten Boucher vom ersten Ton bis zum abschließenden Video nicht alles selber zusammenschrauben wollen, und das so schnell wie möglich. Dass bei dieser Outputrate keine Verschleißerscheinung auftreten sondern sogar Leistungssteigerungen drinnen sind, spricht für sich und für die 1200 Songs, die laut der 23 jährigen noch auf ihrem Laptop auf ihre Veröffentlichung warten. In Kürze vermutlich also mehr davon. Genug kann es niemals sein – egal, wie man das nun nennt.

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