Gridlink – Coronet Juniper

by on 15. Oktober 2023 in Album, Heavy Rotation

Gridlink – Coronet Juniper

Armored Grindcore Deluxe, inklusive Pokémon– und sonstiger japanischer Popkultur-Referenzen in den Titeln vor der poetischen Ader: Jon Chang reaktiviert neun Jahre nach dem eigentlich finalen Meisterstück Longhena mit Coronet Juniper seine zweite legendäre Genreband, Gridlink.

Unfair, aber wahr: Dass der vermeintliche Schwanengesang von 2014 ein derart überragendes Meisterstück war, mag bis zu einem gewissen Grad schon einen unverdienten Schatten auf Coronet Juniper werfen. Aber gut: mit diesem Schicksal weiß ein Gutteil der beteiligten Musiker spätestens seit No One Knows What the Dead Think umzugehen.
Also eher: die euphorische Begeisterung über die Rückkehr der Band auf einem die extrem hohen Erwartungen und Ansprüche „nur“ bestätigenden Level „enttäuscht“, weil ein Gridlink-Album erstmals nicht das Vorgängerwerk dezidiert übertrifft.

Was daran liegt, dass sich Coronet Juniper am Ganzen nun nicht derart ikonisch anfühlt wie Longhena. Genauer: sich gerade in der zweiten Hälfte der Platte über solche unbedingten Highlights wie den Titeltrack, das deathdoomig angerauhte The Forgers Secade oder das meisterhafte Revenant Orchard auf ein Schaulaufen etablierter Longhena-Formeln beschränkt. (Die Ästhetik des Artworks darf insofern schon als Spoiler verstanden werden.)
Nur, dass die Band – neben einem immer noch wie ein giftiger Berseker keifenden Chang in Topform, dem furiose Ideen hinausschleuderndem Zaubergitarristen Takafumi Matsubara sowie Duracell-Drummer Bryan Fajardo diesmal von Mauro Cordoba am oft differenzierbar heraustretenden, grundlegend aber unmuskulös begleitenden Bass komplettiert – ihr Business-as-usual-Feuerwerk ohne Überraschungen, aber aufgrund der kontroversen Produktion/Mix-Gewichtungen von Backroom-Aufnahmeleiter Kevin Antreassian rund um einen ästhetisch näher an Amber Gray (2008) und Orphan (2011) ausgerichteten Schlagzeugsound dabei eben dünner klingt, als zuletzt. Dieser Lean-and-mean-Ansatz ist ambivalent – man ist aber eigentlich ohnedies sofort drinnen und mitgerissen von dem dabei entfesselten MO.
(Darüber, dass der Sound der Vinyl-Version von Coronet Juniper angeblich besser gelungen sein soll, lässt sich an dieser Stelle angesichts der absurd hohen Preise für die Scheibe jedoch leider vorerst nichts sagen.)

Wie dem auch sei: Auch in dieser zweiten (und relativ gesehen eben schwächeren) Hälfte ist Coronet Juniper immer noch ein gnadenlos furioses Comebackalbum. Die zwingende Performance geht Hand in Hand mit einem Songwriting der Extraklasse, jeder Song macht unendlich viel Bock und verschwendet keine Sekunde, kommt einem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg gleich.
Dass die insgesamt 19 Minuten dieses Viertwerks aber (trotz veritabler Konkurrenz in diesem Jahrgang) auch die bisherige 2023er-Sternstunde für das Genre an sich stellen, dafür sorgen vor allem die ersten fünf Nummern des Albums, die in ihrer melodischen Überschwänglichkeit derart heroisch und triumphal angelegt sind, dass der Endorphin-Pegel vor lauter Extase praktisch explodiert, wie im Rausch ein Feierwerk aus origineller, detaillierten Szenen zu einem atemlosen Ganzen verschwimmend detoniert – als würde man in einem neongrellen Reizüberflutungs-Shooter als makellosen Speedrun zocken, dessen Flow nur noch Glanztaten in vertrauter Umgebung zulässt.
Das flirrt von Silk Ash Cascade weg vor rasender Präzession, technischer Finesse und groovender Eingängigkeit bebend, da hetzt die Band vom Anhalter Bahnhof mit epischen Momenten mit Math-Nähe (Pitch Black Resolve) zu NWOBHM-Ambitionen im Blastbeat-Gewitter, für die man sich wie in Ocean Vertigo sogar gut positionierte Zeit für den Anlauf gen Maiden nimmt: Gridlink machen einfach süchtig und im Grunde nichts wirklich falsch, tatsächlich sogar das Meiste besser als alle anderen. Womit nach knapp einem Jahrzehnt Abwesenheit eigentlich alles beim Alten geblieben ist. Mit dieser „Enttäuschung“ kann man insofern sehr, sehr gut leben.

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