Greg Puciato – Mirrorcell
Nach dem zerfahrenen, stilistisch ausufernden Sammelsurium Child Soldier: Creator of God konzentriert sich Greg Puciato auf dem weitaus fokussierteren Mirrorcell auf seine Ambitionen im Post-90er Grunge, Alternative Rock und Metal.
Zumindest weitestgehend: We fällt als aus dem Nichts kommende, elegische Synthpop-Irritation aus dem restlichen Rahmen, bricht den Fluss mit deplatziert pluckernden Beats und einer Sehnsucht nach Depeche Mode und The Cure. Von Child Soldier wissen wir zwar, dass diese Ausrichtung hin zu den 80ern Puciato an sich ganz fabelhaft steht, sie mittlerweile sogar seine Schokoladenseite darstellt, doch passt die Nummer derart inszeniert einerseits stilistisch einfach nicht zum Konzept von Mirrorcell, andererseits erweist sich auch das Songwriting von We auch als schwach, weil die an sich tolle Grundlage ziel- und konsequenzlos nirgendwohin plätschert.
Insofern hätte Puciato den straffen Selektionsprozess, der diesmal nur neun Songs auf der Trackliste übrig gelassen hat, ruhig noch enger ziehen können, um die ansonsten so kohärente Vision des Albums nicht derart unnötig ausbrechen zu lassen.
Dass Puciato zuletzt verdammt viel Zeit mit Jerry Cantrell verbracht hat, ist trotz – aber natürlich primär überdeutlich abseits – dieses Exkurses offensichtlich.
Nach dem heroisch heulenden Instrumental-Intro In This Hell You Find Yourself stampft Reality Spiral breitbeinig im getragenen Heavy-Midtempo, die Melodien vibrieren in einer Abwärtsspirale aus düsteren Riffs der Alice in Chains-Schule und positionieren sich catchy und straight dort, wo Brighten zuletzt relativ gesehen enttäuschte. No More Lives to Go macht eben dort weiter, nimmt grundlegend an Tempo auf und besticht durch ein zügiges Main-Riff samt starker Hook, mäandert drumherum aber kompositorisch latent affektiert.
Das weicher zur getragenen Ballade sehnsüchtelnde Never Wanted That eröffnet den wohligen introspektiven Mittelteil der Platte, badet in der gotisch-schwülstigen Größe des theatralischen Chorus (und hätte sich auch prägnanter destillieren lassen – generell sind einige Nummern aber zu lang ausgefallen), bevor Lowered mit Reba Meyers einen cheesy-poppigen Atmosphäre-Pathos installiert, der in seiner Konsensfähigkeit vielerorts wohl als das exzentrische Highlight der Platte wahrgenommen werden wird.
Besser ist aber eigentlich das Finale des Zweitwerkes – wenngleich auch dieses nicht ohne Makel auftritt.
I, Eclipse malmt ätherisch und zuckt düster schwelgend, die Rhythmussektion grundiert den Song mit einer im Post Hardcore entschleunigten Geduld, irgendwo zwischen A Perfect Circle und Failure, mit monumentalen, monolithischen Tendenzen. Rainbows Underground ist dagegen ein Wechselspiel aus melancholisch zartschmelzenden Melancholie und packender Kraft, die sich irgendwann beim Tritt aufs Gaspedal gehen lässt, beinahe intuitiv gar. Also zumindest relativ gesehen. Denn Mirrorcell ist selbst hier noch eine extrem geordnete, risikofrei konzipierte und regelrecht analytische Platte. Schade zudem, dass insofern nach diesem eigentlich erlösenden Klimax noch einmal der Refrain kommen muss, die tackernden Drums im Mix begraben sind, und die Struktur nach Reißbrett, statt nach emotionalem Instinkt anmutet.
Dass All Waves to Nothing als wütend eingekochter Dampfkessel den Bogen schließt, indem Puciato seine stimmliche Vielseitigkeit wütend brüllend zur versöhnlichen Harmonie führen kann, ist dann ein runder Schlusspunkt, aber eben auch nicht das fehlende Puzzlestück zu einem befriedigenden Ganzen: Trotz seiner klaren Linie fehlen Puciato im zweiten Anlauf die wirklich herausragenden Highlight-Songs seines Debüts; seine Zeit nach Dillinger nutzt der 42 jährige dabei aber nichtsdestotrotz weiter ausfallfrei.
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