Green Lung – Woodland Rites

von am 7. April 2019 in Album

Green Lung – Woodland Rites

Kein Wunder, dass Green Lung die Auflagen ihrer physischen Tonträger derzeit innerhalb von Minuten restlos ausverkaufen: Woodland Rites hat die Substanz und das einnehmende Auftreten, um Freunde des gepflegten Doom Metal und Stoner Rock in den okkulten Freudentanz zu versetzen.

Dass die Band aus South London die Qualitäten hat, um sich schnell eine treue Fanbase zu sichern, war über die erste Demo Green Man Rising sowie vor allem Free the Witch aus dem vergangenen Jahr irgendwo selbstverständlich: Ästhetisch und stilistisch konnten sich die Anhänger von Pigs Pigs Pigs Pigs Pigs Pigs Pigs und Devil’s Witches über Windhand und Witchcraft bis zu Uriah Heep und Uncle Acid and the Deadbeats unmittelbar auf den stets ein bisschen okkulten, mit dem Mystizismus naturalistischer B-Movier flirtendem Genregebräu der Engländer einigen.
Für ihren ersten Hexenzirkel im Langspielformat wollten sich Tom Templar (Vocals), Scott Masson (Gitarre), Andrew Cave (Bass) und Matt Wiseman (Drums) allerdings nicht in dieser Komfortzone ausruhen und haben das Klangspektrum um Organist John Wright erweitert sowie das Songwriting generell weitläufiger und ambitionierter angelegt als bisher an. Classic Rock, Britfolk oder Proto-metallische Elemente aus der Garage fusionieren nun wie selbstverständlich mit dem angestammten Sound der Band, ergeben einen wunderbar runden Fluss. Dass die beiden Albumhälften vielleicht ein bisschen zu routiniert (zumindest beinahe) jeweils vom kürzesten zum längsten Song steigern (und dabei entsprechend von strukturell griffig zu progressiver mutieren), ist im Grunde kein Malheur.

Gegebenenfalls verbunden durch Samples entfaltet Woodland Rites sich so als oragnisches, homogen wachsendes Ganzes, präsentiert tolle Harmonien und infektiöse Melodien, gibt sich sehr catchy, ohne sich auf dem Silbertablett feilzubieten, holt aber trotzdem praktisch unmittelbar an Bord der anachronistischen Kaskaden.
Initiation ist ein idyllisches Intro, erst friedvolles Acoustic-Geplänkel, das versöhnlich und optimistisch bald in ein trves Metalmeer von gertragener, hymninsch-heulender NWOBHM-Eleganz kippt. Der Titelsong bollert danach als erster von zwei aufeinanderfolgenden Szene-Hits sein massives, dichtes Riff kompakt hinaus, walzt den eingängigen Refrain eventuell eine kleine Spur zu ergiebig aus, und stellt sich mit dem Hang zum Melodramatischen in die Erbfolge von Black Sabbath und Ozzy, „oh yeahah!„, bevor Let the Devil In als Paradesingle einen leicht hippieskeren Anstrich mit breiter aufgestellten Backingvocals bekommt.
Mit Psychedelik in den Texturen und einer Hardrock-Prägnanz im Punch wissen Green Lung, wie man das klassischen Doom-Publikum vor der Bühne in Bewegung versetzt. Nur das überdurchschnittlich solide Templar Dawn will in dieser kompakten Staffelung nicht wirklich zwingend in die Gänge kommen. Macht aber nichts, die eigentlichen Highlights der Platte sind ohnedies auf der weitschweifenden Seite des Spektrums angelegt.

Das grandiose The Ritual Tree groovt fett, darf immer epischer streben, während Call of the Coven eine so zielstrebige, wie sportlich direkte Gitarrenarbeit an den Tag legt, ohne die Komposition in irgendeiner Weise stromlinienförmig zu gestalten – Elder lassen insofern nicht erst grüßen, wenn die schweindelerregenden Soli ausgepackt werden. May Queen treibt seinen Blick danach in die ambientere Sehnsucht des balladesken Blues, baut auf trippige Orgelschwaden und Templars eigenwillig nölige Stimme, holt die Gitarren im Mittelteil an Bord und umarmt Graveyard-Jünger. Das abschließende Into the Wild macht dann ohnedies endgültig den immer weiter in die Höhe zielenden Monolith, der eine wunderbar natürlich zwischen sanfter Intimität und kompromissloser Heavyness wechselnde Dynamik aneinanderschichtet.
Das ist stets sehr stimmungsvoll, mit viel abgeklärter Erfahrung geschrieben und auf den Punkt eingespielt – in Sachen Atmosphärearbeit haben Green Lung allerdings ungeachtet ihrer bereits so ausgeprägten Stärken noch nicht ihren Zenit erreicht, wie auch die Nische der Band (Stichwort: lyrische Tropen und bewusst bediente Klischees) keineswegs unverkennbar alleinstehend bedient wird. Was Woodland Rites zusammengenommen vielleicht auch noch nicht zur restlos überwältigende Meisterprüfung macht, als bärenstarkes Debüt aber so viele Paradeaktionen bereits jetzt triumphaler beherrscht, als die Konkurrenz, und damit alles hält, was man sich von Green Lung durch die vorangegangenen Kurzformate vesprochen hat. Woodland Rites ist ein eklektisches Schmuckstück, komplett und durchdacht, seine (sicherlich nicht wirklich originellen) Ideen mit wenig Luft nach oben jederzeit kurzweilig und energisch ausformulierend. Dieser niemals schwerfälligen Traditions-Frischzellenkur darf man dann als Genre-Fan auch tatsächlich mit Instant-Zufriedenheit zu Füßen liegen, in der mutmaßlich nachhaltigen Euphorie zwischen den Noten schwankend auch optimistisch die bessere verteilen.

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