Green Day – Father of All Motherfuckers

von am 8. Februar 2020 in Album

Green Day – Father of All Motherfuckers

Man muss natürlich schon ein Zyniker sein, um Father of All Motherfuckers als bestes Green Day-Album seit mindestens einem Jahrzehnt zu bezeichnen. Richtig wäre es trotzdem – was aber eigentlich mehr über die vier Veröffentlichungen der vergangenen Dekade aussagt, als über die letztendlichen Qualitäten des dreizehnten Studioalbums der (ehemaligen?) Punkrocker.

Gerade mit ein bisschen Abstand wird wenn überhaupt nämlich eher Gesprächsthema sein, dass Green Day nun einen anderen Sound forcieren, nicht aber unbedingt die zehn Songs dahinter, die diesen transportieren: Weitestgehend sehr okaye Standards, die sich mit viel zu sauber aufgepumpter Produktion (alleine diese grausamen, seelenlos-dumpfen Drums!) am Garage Rock Revival, Hochglanz-Retro-Rockabilly und Rock‘n‘Roll ausprobieren, an das zweite Leben der Band bei den Foxboro Hot Tubes erinnern, mehr als alles aber wie von einer schwedischen The-Band (aus der zweiten Reihe) von vor 20 Jahren anmuten.
(Was irgendwo alleine deswegen schon passt, weil The Hives als erste Referenz aktuell zwar ein spezielles Jubiläum vorfinden, die jüngeren Singles aber ohnedies kein Grund zum Feiern sind, während Dennis Lyxzen mit Refused derzeit eher dem Profit frönt und das Andenken an The (International) Noise Conspiracy in Vergessenheit geraten lässt).
Im Umkehrschluss ist das freilich nicht automatisch mit kreativer Relevanz gleichzusetzen. Immerhin wird Father of All Motherfuckers auch deswegen zum mediokren Mittelmaß gezogen, weil Green Day den Wandel zu identitätsflexibel installieren, sich über weite Strecken nicht den eigenen (oder zumindest: eigenständigen) Charakter bewahren, sondern als eklektischer Schmelztigel auch austauschbar und beliebig agieren – da hatten selbst die Rohrkrepierer der 10er-Jahre ein individuelleres Profil zu bieten.

Auch wenn die so aus der Zeit gefallenen Songs – mit Ausnahme des besonders locker und flockig shakenden Meet Me on the Roof sowie des wunderbar poppig gelösten I Was a Teenage Teenager, das mit seiner romantischer Ader Potential zeigt zum Live-Liebling werden zu können – wenig Nachhaltigkeit beweisen, kaum wirklich erinnerungswürdigen Riffs, Melodien oder Hooks anbieten, und zwischen alten Evergreens auf der kommenden Hella Mega-Tour wie flüchtige Bagatellen wirken dürften, geht die Platte trotz einer hinten raus abnehmenden Bindung als Ganzes verdammt gut runter, macht zumindest kurzweiligen Spaß und liefert (trotz all der phasenweise bis zum Erbrechen wiederholten Refrains) durchaus kompakte Schmissigkeit für den Hintergrund. Father of All Motherfuckers ist catchy und in seinem Rahmen auch relativ abwechslungsreich.
Der Titelsong und Fire, Ready, Aim  sind die Richtung vergebend viel Kopfstimme, Handclaps und „Aaaaahaaas“s, ein bisschen Farfisa und Ein-Finger-Piano, ordentlich T. Rex-Verve, Groove und Drive praktisch die Variation des selben Songs, klingen nicht nach Green Day – was angesichts solcher Egalitäten wie Revolution Radio nicht die schlechteste Idee ist -, bevor Oh Yeah! die Formel mit rollendem Rhythmus weiter für die Tanzfläche modifiziert. Stab You in the Heart adaptiert ziemlich schamlos Hippy Hippy Shake und Sugar Youth könnte als B-Seite von Tyrannosaurus Hives durchgehen. Dieser Hang zum simplen, unkomplizierten und niemals pompösen steht Green Day.

Die vor acht Jahren über ¡Uno!, ¡Dos! und ¡Tré! versprochene Ungezwungenheit wird damit auch endlich eingelöst, selbst wenn die Überraschung des Erstkontaktes mit Father of All Motherfuckers verflogen ist, und macht entlang unsagbar banaler Texte und routiniert-beschwingten Kompositionen Laune.
Dass sich die Platte mit knapp 27 Minuten keinen Meter zuviel Raum gönnt, tut freilich auch gut, wirft aber, wenn im finalen Drittel nur noch das unangenehm pseudodramatisch basslastig an Radiostandards angelehnte Junkies on a High aus der Pseudo-Danger Mouse-Perspektive Eindruck hinterlässt, auch die Frage auf, ob jene von (einem in angestammten Stimmlagen zumeist erstaunlich unpackend und kraftlos intonierenden) Billy Joe Armstrong kurzerhand aus dem finalen Albumkontext geworfenen sechs Songs tatsächlich so weit hinter die Qualität des letztendlich aufgefahrenen Materials fallen.
Ob Green Day dagegen in der eingeschlagenen Richtung so viel Substanz lukrieren können, dass die stilistische Richtung von Father of All Motherfuckers wie von Mike Dirnt prolongiert „mit der kreativen Neuausrichtung von Dookie und American Idiot gleichzusetzen ist und die Geschichte von Green Day wohl auf die nächsten zehn Jahre hin prägen“ wird, kann man eigentlich bereits jetzt für sich beantworten.

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