Green Day – ¡Dos!
Auch im Mittelteil der Albumtrilogie spielen Green Day unverfängliche Pop-Punk-Kleinode, auf das wesentliche reduziert und ohne große Theatralik. Allerdings eben auch wieder ohne die wirklich zündenden Ideen und Melodien.
War ‚¡Uno!‚ die nette – aber letztendlich auch wenig inspirierte – Aufarbeitung der eigenen Punkrocksozialisierung aus der Sicht einer Multimillionen-Dollar-Truppe – ist ‚¡Dos!‚ die Rekapitulation der Garage- und Rockabilly-Zuneigung von Green Day aus der selben Perspektive. Billy Joe Armstrong hat im Vorfeld bereits beinahe alles Essentielle zum zweiten Streich seiner Kombo vorweggenommen, als er ‚Stop Drop and Roll!!!‚ der Green Day-Schwesterband Foxboro Hot Tubs als direkten Vergleich heranzog und gar von deren inoffiziellen zweiten Album sprach – nicht nur, weil mit ‚Fuck Time‚ ein Song auf ‚¡Dos!‚ gelandet ist, der für das 60s-affine Nebenprojekt gedacht gewesen wäre. Dass dieser Song seine Entstehungsgeschichte nun zu keinem Zeitpunkt kaschieren kann fällt auf dem zweiten Green Day Album des Jahres nun aber eben nicht besonders aus den Rahmen, macht in einem Umfeld aus zumindest zehn ähnlich veranlagten Kollegen sogar ausdrücklich Sinn.
Was Armstrong offen gelassen hat: ob nach den – vermutlich ohnedies willkommenen und auch seitens der Band erzwungenen – nüchternen Reaktionen auf ¡Uno!‚ allerorts abermals ein dramatischer Austicker samt „Wut-Therapie“ seinerseits – oder dem Cover folgend diesmal eben Mike Dirnt, der sich beim munteren Instrumentensmash noch dumm-drollig/ solidarisch beteiligt hatte – folgen würde, den böse Zungen ja einzig einer verzweifelten PR-Abteilung zuschreiben wollen. Eben diese werden auch ätzen: hatte ‚¡Uno!‚ dies bereits Not, braucht ‚¡Dos!‚ derart verkaufsfördernde Maßnahmen nur marginal weniger dringend. Denn wo der Vorgänger mit ‚Kill The DJ‚ zur Beschwichtigung noch narrensicher funktionierender Chart-Nonsens an Bord hatte oder mit ‚Nuclear Family‚ ideenlos gen ‚Dookie‚ schielte, gibt sich das belanglose Rock-Geplänkel ‚¡Dos!‚ noch weniger Mühe damit, Songs aufzubereiten, die von einem Millionenpublikum gefeiert oder im Radio mitgesummt werden müssen. Die Albumtrilogie, so scheint es, ist für Green Day tatsächlich eine mutwillige Abfahrt auf der Skala der Beliebigkeit. Und wieder ist das nicht restlos schlecht so.
‚¡Dos!‚ ist wie sein Vorgänger kein gutes, aber ein weitestgehend sympathisches Album geworden – vielleicht sogar das noch sympathischere. Weil Songs wie das surfende ‚Fuck Time‚ oder der poppige Singalong ‚Lazy Bones‚ zwar von einer nostalgischen Verbundenheit zu Green Day zehren, dazu aber auch ungemein schmissige kleine Ohrwürmer geworden sind, die mit leidlich inspirierten Riffs und Hooklines den Charme einer ungemein motivierten Schülerband verströmen – die eben mit Armstrongs geschultem Händchen für jederzeit catchy einnehmende Melodien gesegnet ist. Der Wüterich heult hier stellenweise dazu, dass Jon Spencer amüsiert lächeln müsste, docktert Versätze aus dem eigenen Songpool an die Mülltonne mit übrig gebliebenen Ideen und phrasiert hier und da mit explosiv angedachten Soli. Das veranlasst den doch im Hitprogramm bestehenden Beach Boys-Rumpler ‚Wild One‚ zu nervtötend ausladenden Wiederholungen samt Backgroundhymnik oder dirigiert ‚Stray Heart‚ mit seinem Motown-verliebten Bassriff punktgenau zwischen Garage-Rock, Pop-Punk und Rockabilly, ‚Makeout Party‚ kniedelt genau seinem Titel entsprechend.
In ‚Nightlife‚ findet sich dann doch noch ein Pendant zu ‚Kill the DJ‚, wenn man da wie dort vom aus dem Rahmen fallenden Song sprechen muss: diesmal dürfen mit weiblicher Unterstützung von Lady Cobra gar Rap-Parts in den Raggae- artigen Subtext einfließen, was allein deswegen schon besser funktioniert als jedwede „Experimente“ auf ‚¡Uno!‚, weil der Albumfluss hier ein unumwunden geschickt fließender ist, der zudem mit dem zurückgenommenen ‚See You Tonight‘ und der Winehouse-Verneigung ‚Amy‘ einen schicken Rahmen verpasst bekommen hat. Während man also noch zu rekonstruieren versucht, wie dieser oder jener Song doch eigentlich vor wenigen Sekunden noch zu gefallen wusste, schleicht sich die Erkenntnis ein, dass man Green Day für ihren Trippledecker-Lausbubenstreich niemals lieben können wird, aber irgendwo doch gern haben muss. Was zwangsläufig enttäuscht, schwemmt die Masse an Nummern schlicht mit. Und den Kaliforniern gelingt der Kniff, mit munteren 0815-Songs zu wirken, als würde man sich bloß ohne viel Aufwand von jedweden Erwartungshaltungen der letzten zehn Jahre freischwimmen. Ein kurzweiliges Vergnügen.
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