Grails – Anches En Maat
Für Anches En Maat, den Nachfolger des 2017-Vorgängers Chalice Hymnal und den einhergehenden ersten gemeinsamen Studio-Aufenthalt der Band seit 15 Jahren, müssen Grails zwei Dekaden nach ihrem Debütalbum niemanden mehr etwas beweisen.
Diese von der Gruppe – die beiden Köpfe Alex Hall und Emil Amos (Om, Holy Sons) stehen Jesse Bates, Ilyas Ahmed sowie AE Paterra (Zombi, Majeure) vor – selbst ziemlich akkurat getroffene Feststellung wird im überlangen finalen Titelstück über 12 Minuten ziemlich mühelos unterstrichen, wenn jazzig angehauchte Weltmusik unter einem psychedelischen Nebel im Koordinatensystem des Postrock quasi ein Trademark-Schaulaufen praktiziert, das so zwanglos, überraschungsarm und risikofrei funktioniert, ohne jemals selbstgefällig zu werden – einfach eine angenehme Reise zu Zielen bietet, bei denen man niemanden lieber als Guide denn Grails hat, Routine hin oder her.
Rund und schlüssig, aber auch wenig aufregend und zumindest dem loyalen Fan keinerlei Herausforderungen bereitend, während man so gerne in diese mystische Klangwelt eintaucht, begnügt sich das offiziell achte Studioalbum der Amerikaner schließlich damit, etwaige Ambitionen nur in der Eingangsphase zu zeigen, wiewohl Grails dies selbst dort vor allem subversiv tun: Sad & Illegal taucht mit Synth in Pathos-Gitarre jenseits von Pink Floyd in ein latentes Softpornocore-Flair, heult vor der abwartend malerischen Erhabenheit der durch die milde Hitze eines perkussiven Action-Ambiente schwelgenden Orient-Yacht, latenter Funk treiben unverbindlich durch die cheesy Schwüle.
Anches en Maat („translates from French to “Reeds of Maat,” metaphorically locating listeners in an attempt to enter the Afterlife—the Field of Reeds“, wie Popmatters erklärt) bricht danach allerdings unterwältigenderweise weniger in den Anachronismus auf (weil: wie spannend wäre es, wenn eine Band, die derart von örtlichen Impulsen geprägt wird, sich mal ganz der zeitlichen Komponente hingeben würde?!), sondern pflegt bekannte Tugenden.
Die Kontemplation Viktor’s Night Map ist auf einen sanften Beat samt Prärie-Gitarren gebaut, breitet seine Arrangements warm und weich im halluzinogenem Spektrum in die Tiefe als erhaben pluckernder Ladebildschirm aus, derweil Sisters of Bilitis als klanglicher Kosmopolit erst jenseits konventioneller Songwriting-Verpflichtungen agierend doch noch entspannt sinister zur epischen Opulenz flaniert.
Pool of Gem wirkt danach allerdings doch wie ein mäanderndes Zwischenstück, gedankenverloren alleine mit sich selbst beschäftigt, und auch Evening Song (in dem ein ätherischer Schimmer über Bläsern sowie einem an- und abschwellenden Wellengang der Sehnsucht zwischen Introspektive und Ausbruch wandert) bleibt mit seinem ernüchternd ereignislos verblassendem Finale gefühlt etwas schuldig.
Wenn Black Rain an den elektronischen Ausläufern der Band wandert, sich und Schaltknöpfe am Pult gekonnt und hypnotisch im Kreis dreht, ist das durchaus ebenfalls ein exemplarisches Sittenbild.
„Grails never really borrowed any one thing for very long. It was always like we get into Turkish music, and it’s boom! Now it’s in one song. On the next record, we get into this particular part of German music—it’s on half of the next record. It’s always moving. Like we’re into French music, but we don’t stay on it too long.“ erklären Grails im Interview.
„What you’re seeing in The Burden of Hope to Burning Off Impurities to Black Tar Prophecies to Take Refuge to all the way to Anches En Maat—is that we’re showing you our appreciation of life—of other people—and we want to be part of this international dialogue.” Das Gespräch mag derweil noch nicht an Grails vorbeigehen, doch wirklich bestimmen tun sie es auch nur noch bedingt. Mittlerweile verschmelzen all die kulturellen Eindrücke einfach weniger explizit, was Anches En Maat ohne Konsequenz im Erschließen neuer Horizonte auch einen nicht so konkreten und definitiven, zwischen den Stühlen am Eingang zum charakterstarken Eklektizismus- Soundtrack sitzenden Eindruck anhaften lässt. Was nicht unbedingt nur negativ zu verstehen ist, es gibt wahrlich schlimmere Wohlfühlzonen.
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