Goodtime Boys – Rain
Nach zahlreichen EP-Veröffentlichung seit ihrer Gründung 2009 haben die Goodtime Boys aus Cardiff/Southampton/Brighton genau genommen ja bereits viel zu viele Kerben im Bettpfosten, um tatsächlich noch als Newcomer im modernen Hardcore-Schwimmbecken durchgehen zu dürfen.
‚Rain‚ ist trotzdem das offizielle Debütalbum der Band. Weil das unausgegorene ‚What’s Left to Let Go‚ von 2012 eben als Zwitterwesen aus EP-Wiederverwertung und Neuaufnahmen durchging – und ‚Rain‚ abseits etwaiger Kinderkrankheiten alleine insofern tatsächlich einen Neustart für die Waliser darstellt, weil mit Lewis Johns (Gitarre) und Casey McHale (eine enorme Bereicherung am Schlagzeug!) zwei Neuankömmlinge im Gefüge ihre Premiere feiern. Ansonsten sind diee 33 Minuten aber vor allem die Fortsetzung der bisherigen Gangart, die sich gekonnt zwischen die Stühle und ehemalige Tourkollegen setzt: wo Defeater konzeptuell werden nehmen die Last der Welt Goodtime Boys persönlich, wo Pianos Become the Teeth verzweifeln sucht das europäische Quintett nach dem Prinzip Hoffnung.
Mit Songs, die als Selbstverständlichkeit anzusehen versuchen, was für andere Bands erst die Bridge zum finalen, ausladenden, majestätischen Höhepunkt einleitet. Die Rhythmen grooven schwer, die Drums treiben hartnäckig, doch die durch Touchè Amorè geschulten drängelten, sportlichen Gitarrenfiguren sind weit geöffnet: die Goodtime Boys haben sich vom Hardcore das Muskulöse genommen, vom Postrock ala Explosions in the Sky die Sucht nach hymnischen Ausblicken und einer Weite in den Arrangements, vom Screamo das sehnige und aufgekratzt Wehmütige. Kompakt und dynamisch inszenieren die Waliser so das Wechselspiel aus nachdenklicher Innenansicht und kraftvoll geballter Faust und erzeugen schwitzende Katharsis mit nach klarer Schönheit strebenden Melodien, agieren deutlich runder als auf allen bisherigen Veröffentlichungen, auch wenn die wirklich herausragenden, prägnanten und schier erschlagenden Genieblitze auf Sicht (immer[noch]) fehlen.
Nur einmal sind die bipolaren Akzente klar getrennt (das instrumentale ‚Daydreamer‚ ist eine nahtlos in den Kontext eingefügte Postrock Träumerei geworden, die so auch gerne länger hätte ausfallen können) und selten derart kontrastreich gegenübergestellt wie im Brand New‚iggem ‚Washout‚, das seine Nachdenklichkeit selbst dann nicht abschüttelt, wenn der Opener nicht mehr nur Alex Pennie und ein perlender Gitarrenteppich ist. Bezeichnend, dass der an einen weniger imposanten Damian Abraham erinnernde Sänger dennoch in Momenten wie diesem, oder auch der ruhig gemalten Erholungsinsel in ‚Newspaper Sky‚, am meisten Eindruck hinterlässt, mit seinem die Harmonien zwischen Gegröle und Rezitation ausbreitendem Gesang auf ‚Rain‚ nicht das Optimum an Präsenz ausstrahlt. Daneben verweben Goodtime Boys das Prinzip raue Schale weicher Kern aber ohne Trennstriche, drehen im tollen ‚Wallflower‚ zahlreiche Einzelpassagen zu einem stimmigen Ganzen durch die Mangel, ziehen in ‚Life Moves‚ direkt ins Ohr oder kreieren in ‚Moral Decay‚ charmante Oldschool-Augenblicke. Darauf lässt sich aufbauen und jetzt schon abgehen: ‚Rain‚ ist energiegeladen und getrieben, gleichzeitig aber mit einer inneren Ruhe agierend. Moderner Melodic-Hardcore für den Pit – und um Sonnenaufgänge zu bewundern.
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