Godspeed You! Black Emperor – Asunder, Sweet and Other Distress

von am 30. März 2015 in Album

Godspeed You! Black Emperor – Asunder, Sweet and Other Distress

Es ist gar nicht unbedingt so, dass sich das fünfte Album der kanadischen Postrock-Pioniere ausschließlich in seiner hauseigenen Wohlfühlzone ausruhen würde. Allerdings begnügt sich Asunder, Sweet and Other Distress doch ein wenig unerfüllend damit, das bis dato solideste Godspeed You! Black Emperor-Werk zu sein.

Was bis zu einem gewissen Grad auch daran liegt, dass Efrim Menuck und seinem Kollektiv auf der zweiten Platte seit ihrer Rückkehr 2010 in beinahe jeder Hinsicht der Überraschungseffekt – und in gewisser Weise auch das Momentum – abhanden gekommen ist: Asunder, Sweet and Other Distress arbeitet wie sein Vorgänger ‚​Allelujah! Don’t Bend! Ascend! ein langjährig vorhandenes Livemonstrum auf (das unter dem Arbeitstitel Behemoth seit 2012 in der Setliste der Band zu finden ist) und bändigt es als vierteilige Studioaufnahme. Nüchtern betrachtet steht dabei unter dem Strich abermals – sogar mehr denn je – nur ein neues Godspeed-Album, neuerlich mit gefühltem EP-Charakter, das mit zwei Langtracks und zwei Drone/Noise-Schnittstellen beinahe nahtlos dort weitermacht, wo ‚​Allelujah! Don’t Bend! Ascend! zwischen euphorischer Wiederhörensfreude, konkurrenzloser Genre-Qualität und enttäuschender Innovationsverweigerung die Gemüter gespalten hat.

Dabei lässt bereits Peasantry Or ‚Light! Inside Of Light!‘ den klassischen Godspeed-Sound gleich zu Beginn ein klein wenig weiter in kargen Wüstenregionen von der Leine und reklamiert damit minimale stilistische Gebietserweiterungen für sich. Durch staubiges Hitzeflimmern sieht man bereits die weiten Hoheitsgebiete von Earth emporsteigen, bevor Menuck das Geschehen hin zu seiner zweiten Spielwiese A Silver Mt. Zion, zu Fuck Off Get Free We Pour Light On Everything im Allgemeinen und der Melodie von What We Loved Was Not Enough im Speziellen heranführt. Violinen jubilieren hier, schunkeln liebevoll, wollen aber dabei gar nicht unbedingt die von der Band ansonsten bekannte apokalyptische Schwere evozieren.
Lambs‘ Breath und Asunder, Sweet atmen danach im Zentrum des Wirbelsturms durch, schließen die Augen zu bedrohlichen Drone-Welten, schichten Klänge und noisiges Ambient-Feedback zu hypnotisierenden Trance-Expeditionen, die Spannungen behände auf- und abklingen lassen, ungemütlich dicht anschwellen, aber im Grunde rein als atmosphärisches Bindeglied zum abschließenden Piss Crowns Are Trebled dienen – wie Asunder, Sweet and Other Distress als Ganzes ohnedies vor allem auf diese 14 Minuten nahe der Godspeed-Perfektion hinauszulaufen scheint.

Hier beschwören die Kanadier einen schwerfällig bratzenden, dunkel groovenden Bastard von einem Song, der seine Schönheit lange Zeit mit finsterer Miene attackiert, nur um sich nach knapp 5 Minuten mit hymnischer Eleganz zu öffnen, wie das in dieser Gangart und Spielweise derart fulminant wahrscheinlich nur Godspeed selbst können. Wenn Piss Crowns Are Trebled darauf nach kurzer Verschnaufpause die Zügel plötzlich wieder enger zieht, sich mächtig rockend in einen wilden Wellengang wirft, dann ist das ein Triumphzug, der allerdings auch die kleineren Mängel von Asunder, Sweet and Other Distress aufzeigt: Es gibt auf Album Nummer Fünf durchaus Gänsehautmomente, allerdings sind diese deutlich rarer gesät als auf den bisherigen Veröffentlichungen, selbst ein Brocken wie Mladic gelingt diesmal nicht vollends. Über weite Strecken ist das ansonsten allgegenwärtige Gefühl sich mit epochalen, erschöpfenden, überwältigenden Naturgewalten von instrumentalen Kolossen konfrontiert zu sehen deswegen diesmal schlichtweg nicht derart übermannend und überlebensgroß, wie man das alleine mit dem Auftauchen des ehrfurchtgebietenden Namens Godspeed You! Black Emperor am Horizont quasi automatisch assoziiert.

Auf der anderen Seite entwickelt Asunder, Sweet and Other Distress dadurch einen regelrecht unkomplizierten Reiz als bisher entschlackteste Platte der Kombo, die ohne Anlaufzeit unmittelbar ins Geschehen einsteigt, sich nicht einmal Sprachsamples gönnt, sondern ihre musikalischen Ziele konsequent abhakt und äußerst stringent große Szenarien malt. Der Gesamtfluss und allgemeine Climax über die beiden Drones gerät dabei sogar deutlich homogener und schlüssiger als jener des zusammengestückelt wirkenden ‚​Allelujah! Don’t Bend! Ascend!. Denn selbst wenn die Phase im Mittelteil von Asunder, Sweet and Other Distress abseits ihrer funktionierenden Atmosphärearbeit kaum eigenständige Eindrücke hinterlässt, sind die formwandelnden Zündstufen von Behemoth ohne jedwedes Fett kompakt verlötet, ermöglichen einen geradezu kurzweiligen Trip in das Postrock-Reich der Kanadier und werden vor allem rückblickend wohl ein endgültiges Freischwimmen von den über die Jahre der Abwesenheit ins uneinholbar-astronomische angewachsenen Erwartungshaltungen ermöglichen: Man kann sich langsam damit abfinden, dass Godspeed You! Black Emperor im zweiten Leben ihr eigenes Genre nicht noch einmal revolutionieren werden (wollen). Um es jedoch weiterhin (mitzu)dominieren – so vermittelt es das sehr feine, aber auch hungrig hinterlassende Asunder, Sweet and Other Distress – genügt diesmal praktisch ein unangestrengter Spaziergang.

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