Göden – Beyond Darkness
Doom-Geschichtsstunde: Göden drängen in den Windschatten der legendären Winter und füllen deren Fußstapfen mit ihrem Debüt Beyond Darkness absolut befriedigend aus, ohne deswegen bereits an ihrem eigenen Denkmal zu basteln.
Wie schon bei No One Knows What the Dead Think im vergangenen Jahr lässt auch der Einstand des Trios aus New York unschlüssig zurück, ob sich Göden ausnahmslos einen Gefallen damit getan haben, ihr Projekt schon im Vorfeld derart klar als spirituellen Nachfolger von Into Darkness zu prolongieren. Ob des Gewichtes der vielgerühmten 90er-Platte Bescheid zu Wissen, gehört zur Grundschule des Doom, deswegen ist diese Praktik schließlich eine ambivalente: Was hinsichtlich der Aufmerksamkeit Startvorteile bringt, ist durch die so gesetzte Erwartungshaltung freilich auch Bürde und Ballast.
Aufgrund der Ästhetik (und trotz einer vergleichsweise doch etwas stärker zum Death Doom tendierenden Ausrichtung) bleibt die Intention von Göden entlang zählflüssiger Kaskaden aus kalten Riffs und der nihilistischen Atmosphäre allerdings nachvollziehbar, macht aber vor allem personell Sinn: Mit Gitarrist Stephen Flam und Keyboarder Tony Pinnisi bestehen zwei Drittel der Besetzung aus ehemaligen Winter-Gründungsmitgliedern, dazu gesellt sich die Hanzel und Greytel-Sängerin Vas Kallas am Mikrofon. Gemeinsam schlüpft das Trio in die Rollen Spacewinds („the time and space in which these characters dwell“), The Prophet of Goden („who speaks in the name of Goden and is the light„) und NXYTA (Goddess of Night) – „lead vocalist and the darkness“ –, um ein nebulöses Konzeptalbum über die erdrückende Länge von 76 Minuten zu spannen, welches im Grunde ohne die zwanghafte Verknüpfung an nostalgische Mechanismen am besten funktioniert.
Noch besser wäre es freilich gewesen diese Ausführlichkeit an den richtigen Stellen zu kürzen. Wobei die letztendlich aufgefahrene Masse durchaus auch zum Charakter von Beyond Darkness beiträgt, Reputation und Geschichte der Platte speist, weil Göden stets bewusst ist, mit Into Darkness im Rückspiegel etwas ultimatives, erschöpfendes und definitives jenseits der puren, bestialischen Heavyness transportieren zu müssen: ein Opus!
Wo sich also nicht darüber diskutieren lässt, ob es kurz vor dem Finale mit Thundering Silence tatsächlich noch eine beinahe fünfminütige Ambient-Stille als Ruhe vor dem letzten Sturm gebraucht hätte, weil man zu diesem Zeitpunkt ohnedies bereits so weit in die Stimmung des Albums gesogen wurde, dass räumliche und zeitliche Maßstäbe sich ein gutes Stück weit zu zersetzen begonnen haben, schadet es Beyond Darkness auch keineswegs so eklatant wie ungehört erwartet, mit elaborierten acht Interludes – oder: durchnummerierte Manifestations – vollgestopft zu sein.
Immerhin verdichten die mystisch gesprochenen Erzählungen hinter der sinistren Kutte einer plakativ-klischeehaften Entität die Aura der Platte zusätzlich, entwickeln durchaus eine einnehmende Bannkraft und lösen zudem auch ein wenig die herrschende Monotonie der malträtierenden Dichte.
Nicht immer will diese Formel allerdings aufgehen: Wenn Ego Eimie Gy in repetitive Trance in Lauerstellung verharrt und sich nicht vom Fleck bewegen will, fühlt sich das trotz der akzentuierten Charakteristik der Nummer selbst schon wie ein zu ausführliches Zwischenspiel an, flankiert durch zwei Manifestations entstehen so im letzten Drittel einer ansonsten erstaunlich kurzweiligen Platte – weniger Längen oder leere Meter als vielmehr – weniger gehaltvolle Passagen des Mäanderns.
Eine Schwächephase, die Göden jedoch durch die Klasse der Substanz im Gesamten mühelos stemmen. Glowing Red Sun ist etwa im Prinzip ein langes Intro, dass mit massiven, auch heulend flanierenden Gitarrenwänden sowie schweren Rhythmen ideal auf den Kosmos der Band einstimmt, später sogar E-Streicher in die bedrohlich finster polternden Aura schleust – die Synthies sind jedoch schon hier niemals so elementar wie die Gittarenarbeit, eher Textur als tragendes Element.
Twilight stellt vor diesem Hintergrund die guttural reibende, gnarzig-röchelnde Stimme von Kallas vor, die auf einem ätherischen Synthieteppich und okkulter Botschaft über die walzenden Riffgebirge reitet. In Cosmic Blood wirft sie sich über einer brillanten Orgel mit röhrender Inbrunst in überdimensionale Gesten, die Zeitlupen-Macht der tektonischen Instrumente schiebt so catchy wie unerbittlich langsam. Spätestens wenn das Solo abhebt, fällt auch die unwirklich verteilte, flächig produzierten (Un)Tiefe der Platte auf, sich über ein simpel gestricktes, aber kompromisslos konsequentes Songwriting artikuliert – gegebenenfalls auch mit obskuren Mitteln. Komm Susser Tod (ja, mit den Umlauten hat es die Kombo trotz entspechendem Artwork nicht so) zieht sein Schlachtfeld mit sphärisch rezitierender Miene zur inbrünstigen Manifestation eines gebrochenen Deutsch und klingt dabei gar nicht so unfreiwillig komisch, wie es sein könnte – eben weil die Band jeden Aspekt ihres Gebräus mit einem so unbedingten Ernst bedient.
Das überragende Dark Nebula bebt unter der Phrasierung und Intonation der variablen Kallas, zeichnet kultische Bilder von beklemmender Dichte, verdammt eingängig eigentlich, und variiert die Dynamik des an sich gleichförmigen Monolithen Beyond Darkness bis zur verspielten Leichtigkeit. I Am Immortal erzeugt mit seinen Beschwörungsfomeln und gezogenen Hook im Refrain den nächste Quasi-Ohrwurm, der jazzig-atonale Flirt der Gitarren hinten raus hätte jedoch ruhig schärfer in den Fokus treten können, bevor Winter als Schlusspunkt noch einmal alle Tugenden der Band ergiebig dekliniert.
Das alles macht Beyond Darkness vielleicht nicht zu der Fortsetzung, dem Revival oder gar Reboot, nach dem es der Winter-Gefolgschaft ungefragt verlangt hätte, um das 30 jährige Jubiläum von Into Darkness standesgemäß zu zelebrieren – aber eben ungeachtet dieser eigentlich unnötigen Messlatte zu einer rundum grandiosen, zeitlosen Doom/ Metal-Platte.
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