Glüme – Main Character
Glüme alias Molly Keck alias Molly Marlette alias Glüme Viola Harlow lässt sich zwei Jahre nach ihrem Debüt The Internet von einem beeindruckend namhaften Backing-Cast als Main Character auf ein Podest stellen.
Die Dame hinter dem mit ihrem Alt Synth und Dream Pop ja ziemlich perfekt zu Italians do it Better passenden Namen Glüme firmiert auch unter dem Titel Walmart Marilyn, um eine cinematographische Collage aus Vintage-Hollywood-Träumen, nostalgischen Eklektizismus und zeitgenössischer Sehnsucht zu servieren. Manchmal, aber nur in den wirklich schwächsten Passagen von Main Character, muß man assoziativ jedoch eher an eine Art auf Wish bestellte Lana denken. Was natürlich alleine insofern viel zu unangemessen ist, weil Main Character zwar viele Trademarks der Kultfigur von Lizzy Grant in das Universum der aufgelösten Chromatics kopiert, das Zweitwerk von Glüme dabei aber (beinahe) nie wirklich schlecht an sich ist.
Viel eher scheitern die etwas zu langen 50 Minuten einerseits an der aufgefahrenen Ambitionen (die seit dem Debüt freilich auch durch die prominenten Features – STRFKR, Of Montreal, Rufus Wainwright, Sean Ono Lennon sowie natürlich auch wieder Johnny Jewel – und gestiegenen Erwartungshaltungen zusätzlich gewachsen sind) und andererseits an der grundlegenden Substanz des Songwritings: gerade im Mittelteil schwächelt Main Character enervierend, wenn das flotte Dangerous Blue anachronistisch joggend zu unverbindlich bleibt, da die ätherisch bittersüße Melodik vom eindimensionalen Beat-Korsett limitiert wird, Wedding Cake Shop einen penetrant nervig sedativ erzählenden Refrain auffährt, oder sich Flicker Flicker an einem Unfall aus Grime-Pastiche und zappelndem Trap-Club ebenso unangenehm bemüht wie schnell vergessen am einzigen unnötigen Ausfall der Platte verhebt.
Auch die Passage um Garden of Allah (quasi ein dünnes Depeche Mode-Plätschern), das kontemplativer klackernde und subtil in der Elegie wummernde Heaven sowie vor allem das entgegen seines Titels relativ uninspirierte, aber solide 0815-Stück Queen of LA kommt nicht über das musikalisch kaum nachhaltige Eindrücke hinterlassene Mittelmaß hinaus, das ohne die Präsenz von Glüme wohl sowieso komplett unter dem Aufmerksamkeitsradar durchgeradelt wäre.
Ebenfalls richtig ist allerdings, dass diese Wahrnehmung unvorteilhafterweise daran gedeiht, dass gerade der Einstieg der Platte (mit dem catchy Aushängeschild Child Actor, dem euphorisch zu Chvrches pumpenden Do Me a Favor sowie dem entspannter berieselnden Brittany) sehr fein gelingt und der weitere Verlauf gelegentlich aufzeigt und am Ende der Rahmen stimmungsvoll geschlossen wird: das herausragende Titelstück ist eine potentiell zauberhafte Lana-Ballade, ansatzweise groß und beeindruckend, wie eine immer schon vorhandene alte Erinnerung nicht mehr aus dem Kopf wollend, mit Rufus Wainwright himself das Duett vor einem orchestralen Hintergrund begehend, auch wenn die Nummer letztendlich leider von seinen Arrangements geblendet kein wirklicher Höhepunkt gelingt – dafür gibt es später einen entsprechenden Ouvertüre-Nachhall des Orchesters, bevor das progressiv gemeint erblühende Female Role Model als mäandernder Clusterfuck ein bisschen exemplarisch für die Schere aus Potenzial und Endergebnis steht. Dass ein Intermission als träumendes Interlude wie auch das eine versöhnliche Redundanz zeigende Child Actor (Reprise) einen so nicht vorhandenen Spannungsbogen zu imitieren versuchen, ist auch wirklich ehrenwert. Dennoch fühlt sich Main Character am Ende ein bisschen wie ein viel Haltung zeigendes B-Movie mit der Würde einer A-Liga-Sehnsucht an.
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