Gloios – Natureza Errada
Post-Art-Postrock mit einer Prise Metal…oder „Um carnaval musical caseiro„: Rafael Xavier aus Sao Paolo legt nach dem Debüt Lide von 2022 mit Natureza Errada sein zweites Album als Gloios vor.
Die qualitative Spannweite des Projekts zwischen bereits toll umgesetzten Ambitionen und einer das vielversprechende Potential noch zu unfokussiert vertändelnden Beliebigkeit bleibt dabei bestehen, auch wenn der Brasilianer im zweiten Anlauf noch einmal merklich selbstsicherer zu Werke geht.
Am deutlichsten wird diese Ambivalenz ausgerechnet im Vorboten Deus Quer um / Carcomido, der die Platte hoffnungsvoll und optimistisch mit einer cinematographisch verträumten Fläche öffnet, leider aber am hier ausnahmsweise dünnen Sound der (ansonsten stimmigen) Produktion leidet. Zudem wirkt das Cut-and-Paste-Metal Riffing wahllos herbeizitiert und dilletantisch eingefügt.
Ab der zweiten Hälfte seiner ausführlichen Spielzeit finden die Ideen aber homogener fließend zusammen, obwohl glitchende Elemente mit einem Klavier und Saxofon um Noir-Schattierungen ringen, während ein elegantes Nylon-Fingerpicking nonchalant atmend konterkariert.
Die größte Tugend des verstorbenen Freunden gedenken Natureza Errada („Wrong Nature„) ist dabei seine unbeschwerte Unberechenbarkeit, was das Zusammenführen seiner eklektischen stilistischen Erbstränge angeht – und auch seine mitunter exotische Arbeitsweise, die auf regionales Lokalkolorit ebenso wenig verzichtet, wie auf unkonventionelle strukturelle Ansätze.
Das Titelstück ist etwa auf eine Art Percussion Loop gebaut, das wie Gleise über einen rumpelnden Untergrund in weiter Ferne über düsteren Ambient poltert, an Präsenz und Volumen aufnimmt und rufenden Gesang sampelt. Das Überblenden des Beats zu einem ziselierteren Bimmeln ist etwas unbeholfen, doch wie der Bass dominanter wird, die Vocals zerschnipselt werden und ein Drone Metal-Flair dräut, ist das schon sehr verlockend.
Linha Chilena, mit knapp 18 Minuten Spielzeit zweitlängste Stück der Platte, exerziert ein zähes Metal-Riff über der naturalistischen Akustik-Kulisse. Finger trommeln mutmaßlich am Korpus, ätherische Chöre lüften die Elegie mit der Leichtigkeit des Rhythmik. Wälle werden angedeutet, doch übt sich Gloios dennoch lange in der Zurückhaltung und löst nicht einmal den finalen Spannungsbogen plakativ auf, sondern züchtet eine Organismus aus Metal und Elektronik – irgendwo im Gehege von Deep Forest, Godspeed und Kaatayra.
Vivalma verbindet flirrende Mono-Gitarren mit einem Stammesritual vom Band und bastelt so aus an sich generischen Elementen eine interessante Matrix. Der Twist zur Mitte der Nimmer ist jedoch bemüht – auch wenn sich die zweite Hälfte von Vivalma wieder schön aufbaut: als Collage aus zwei ziellosen Ideen funktioniert die Nummer primär im Kontext von Natureza Errada.
Pés de Vento mäandert als elektronisch modulierte Avantgarde Metal-Collage mit folkloristischem Gesang am nachdenklichen Lagerfeuer, lässt tiefgründig enervierende Passagen vom Glockengeläut zu Grabe tragen und den Abspann sakral weitermachen. Unbeholfene leere Meter im Songwriting stören dabei aber nicht. Denn das Trumpfass bei dieser Odyssee ist ein fesselndes Händchen für eine eindringliche Atmosphäre und Stimmung mitsamt einer eigen(willig)en Handschrift.
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