Glitterer – Rationale
Es würde die Qualitäten von Rationale schon unter Wert verkaufen, wenn man das Drittwerk von Glitterer darauf beschränkt betrachten würde, nun doch eine Art Methadonprogramm für Title Fight-Junkies anzubieten. Ganz falsch wäre es deswegen aber noch lange nicht.
Mit Glitterer hat sich Ned Russin nach dem Ende von Title Fight 2017 ja über bisher zwei-undeinpaarhalbe Alben hinter bisweilen etwas dünn klingenden Synthies als minimalistischer Solo-Musiker neu erfunden – und dabei vor allem Fans seiner angestammten Band ein Stück weit enttäuscht zurückgelassen. Nun erfolgt mit Rationale allerdings ein klarer Paradigmenwechsel für das Projekt: mit Nicole Dao (Keyboard), Drummer Jonas Farah und Gitarrist Connor Morin hat Russin (Bass, Vocals) ein vollwertiges Bandgefüge um sich versammelt.
Das hebt den Sound der Plattform freilich auf einen ganz anderen Level, lässt ihn organischer und vollwertiger klingen. Keyboard-Linien sind dabei zwar immer noch maßgeblich präsent (und heben Glitterer insofern immer noch von nunmehr zulässigen ersten, hausinternen Referenz ab), aber nur noch ein prägendes Element der Texturen im Ganzen.
Von I Want to Be Invisible weg spielen Glitterer nun einen kraftvollen, im Midtempo verankerten Indie Rock mit einem Bein im Power Pop und dem anderen im Punkrock – was aufgrund des immer eingängigen, immer kompakten (für 12 Nummern keine 22 Minuten brauchendes) Songwritings in Summe gar nicht so weit von Title Fight entfernt ist…und neun Jahre nach Hyperview eine veritable Alternative in einer Lücke anbietet, die seit damals von niemandem sonst geschlossen wurde.
Dass sich die einzelnen Songs in ihrer Kurzweiligkeit dabei nur bedingt auseinandividieren – Can’t Feel Anything etwa einen ambienteren Rahmen für eine verträumtere Flächigkeit, Just a Place lüftet die Ästhetik entspannt mit Acoustic-Gitarre und Half Truth zögert all sein Momentum hinaus – fällt angesichts des charmant-unmittelbaren Niveaus kaum negativ auf.
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