Girl in Red – If I Could Make It Go Quiet
Nach einer Stafette an wirklich vielversprechenden Singles und EPs in den vergangenen Jahren ist If I Could Make It Go Quiet, das Debütalbum von Girl in Red, leider nur ein solide gemachtes, simpel gestricktes und mit frustrierend überschaubarer Halbwertszeit ausgestattetes Sammelsurium an elektronischen Indie-Bedroom-Pop-Bagatellen geworden.
Im Vorfeld ihres Einstands-Langspielers längst zum Phänomen und Testimonial geworden, entscheidet sich dir Norwegerin Marie Ulven Ringheim für eine Symbiose aus inhaltlichem Vorschlaghammer und stilistischer Austauschbarkeit. Wobei dieses Schema zum Einstieg noch aus den Fugen geraten ist, denn Serotonin ist ein so verdammt unerbittlich hängen bleibender Ohrwurm mit seiner beinahe stakkatohaft zum Rap tendierenden, extrem catchy daherkommenden Refrain-Hook – und nach Bad Guy der wohl nervigste, seinen Titel am penetrantesten und öftesten repetierend erklärende Song, bei dem Finneas O‘Connell seine Finger bisher im Spiel hatte.
Dass das folgende Did You Come? erst wie eine die interessante Wendung suchende Bridge des Openers anmutet, weil das Motiv von Serotonin (ernsthaft: nach If I Could Make It Go Quiet kann man dieses Wort kaum noch unbefangen hören) nur minimal variiert wurde und der mehr auf einen treibende Rhythmussektion setzende Unterbau den Unterschied machen soll, ist zumindest ein Indikator dafür, dass der Fluss der Platte ungeachtet etwaiger substanzieller Schwächen überzeugt.
Denn wenn sich beispielsweise Midnight Love ätherischer pumpend abgedämpft verträumt gibt, und wie beinahe alle (der strukturell und spielzeittechnisch genormten) Songs der Platte zu ausführlich angelegt ausgefallen ist (obwohl die Gesamtlänge von If I Could Make It Go Quiet nur etwas mehr als eine halbe Stunde beträgt), ist die übergeordnete Dynamik auch durch den Übergang zu You Stupid Bitch gelungen, weil Girl in Red hier wieder treibender anzieht, gar ausgelassen auf der Tanzfläche zu rocken versucht: Ringheim und ihr Produzent Matias Tellez versuchen die Dinge kurzweilig und abwechslungsreich zu gestalten.
Dass die Texte der Nummer (nein, eigentlich allgemein – aber hier in You Stupid Bitch eben besonders markant) arg frontal und eindimensional platt sind, passt zur unkaschierten Gangart der Platte, die keinen Hehl aus ihrer Befindlichkeit oder Agenda macht, steht aber auch für eine manchmal schon arg bemüht edgy daherkommen wollende Attitüde. Zumal vermeintlich romantisch gemeinte Zuneigung schnell die Grenze zur aggressiven Aufdringlichkeit überschreitet: „Don’t bite your lip or grit your teeth/ Just count to ten and try to breathe/ You stupid bitch, can’t you see/The perfect one for you is me?“
(Womöglich muss man hier ohnedies nur eine latente Generationskluft zur 22 jährigen Norwegerin feststellen – doch für jemanden, der nach wie vor Pinkerton feiert, sollte so manche creepy daherkommende Zeile so oder so wohl keinen relevanten Kritikpunkt darstellen).
Tatsächlich ist If I Could Make It Go Quiet ansonsten aber einfach kaum der Rede wert und rechtfertigt weder die vollmundigen Ankündigungen des Girl in Red, noch das Wohlwollen seitens des Feuilletons.
Body and Mind stackst zwischen Schwergängigkeit und Loslassen, das niedlich klimpernde Hornylovesickmess sucht die Dramatik, frustriert mit seinen quäkenden Synthies und bietet mit seinem ambiente Ausklang einen angenehmen Rückzugspunkt von der irgendwo doch recht oberflächlichen Durchsichtigkeit, zumindest keinerlei Subtext anbietenden Mehrdimensionalität der Kompositionen. Rue gönnt sich zumindest einen ikonisch gedachten Überbau für seine beliebige Dancefloor-Geste und vor allem Apartment 402 inszeniert seinen Zug atmosphärischer und ätherischer, zeigt intime und verletzliche Emotionen. In . alias (period) lockert ein subkutan pochender Beat die laufende Acoustic Gitarre durch die später auftauenden Handclaps noch weiter auf, zeigt aber auch ein Symptom der Platte: ästhetisch ist das gelungen, doch bekommen die Songs keinen Zugriff, sind bestenfalls seichte Talentproben, wo das bisherige Schaffen der Künstlerin eine frühe Formvollendung in Aussicht stellte. Ein flott aber unaufgeregt im Tempo schwelgendes I’ll Call You Mine ist also sauber bewerkstelligt, aber einfach langweilig und unmittelbar wieder vergessen. Wenn in It Would Feel Like This die obligatorische Piano-Ballade mit Streichern nur ein kurzer Epilog ist, fällt auf, wieviel besser der zurückgenommene Indiesound der Senkrechtstarterin steht, wieviel weniger authentisch der massentauglich konstruierte Pop ihr steht – so lassen sich hier einige einnehmende Einzelsongs herausholen, doch ist If I Could Make It Go Quiet abseits seiner Testimonial-Urheberin in Summe leider einfach viel zu egal geraten, um der Rede wirklich wert zu sein.
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