Gia Margaret – Romantic Piano
Das empfindsame Romantic Piano von Gia Margaret sehnt sich nach naturverbundenem Ambient-Impressionismus in Form weitestgehend instrumentaler Schönheit, forscht nach dem Konzept der Waldeinsamkeit.
Schwer zu sagen, was genau den geheimnisvollen Reiz des Drittwerks der Musikerin aus Chicago ausmacht. Womöglich hat es damit zu tun, dass die skizzen- und fragmenthaften Formen der zwölf Tracks hier dennoch ein so komplettes, absolut rundes Ganzes ergeben; oder damit, dass die meditative und friedlich beruhigende Ästhetik von Romantic Piano als beiläufig bezaubernder Hintergrund-Soundtrack ebenso gut funktioniert, wie die 27 Minuten der Platte, etwas zutiefst persönliches transportierend, eine emotionale Direktheit entwickeln, die mit einer über assoziative Abstraktheiten hinausgehenden Tiefenwirkung packen: gedankenvoll lässt Romantic Piano das Innenleben des Hörers ebenso ziellos schweifen, wie es sich als konkreter Reflektions-Katalysator der eigenen Befindlichkeit eignet; man kann sich oberflächlich betören lassen, oder auf vielschichtigere Details einlassen -in bisschen wie das Zitat mit dem zurückblickenden Abgrund – nur als tröstendes Seelenbalsam-Äquivalent.
Letztlich ist es aber wohl gar nicht notwendig, den latenten Zauber von Gia Margarets Klavier-Musik konkret verorten zu wollen, wenn so viele wundervolle Szenen hier mehr als gefällige Anmut erschaffen, ambient modulierter Hintergrund und naturalistische Field Recording-Texturen dem neoklassizistischen Pianospiel unweit von Nils Frahm variable Facetten hinzufügen und die Musikerin selbst mit einem gewissen Pragmatismus auf abstrakte Weise richtig liegt: „I wanted to make music that was useful„.
Hinoki Wood etabliert am Klavier sitzend eine verträumte Nostalgie-Melancholie, die entfernt an jene von Collier erinnert (was im auf elegischen Saiten gezupften, die Tasten umarmenden Guitar Piece freilich noch deutlicher wird), so minimalistisch wie bittersüß eingängig und heimelig vertraut. Im wohlig-warm tröstenden Cicadas zirpen die Grillen und A Stretch hofiert leicht angejazzt flanierende Saxofone, La langue d’lamitié unterspült sich mit wattierten Trip Hop-Beats und lässt sich sogar beinahe in einen uferlosen Jam treiben, derweil April to April am Rhodes Piano besonders anachronistisch aus der Zeit gefallen scheint und Cinnamon anmutet, als würde Max Richter im prasselnden Regen an Die fabelhafte Welt der Amélie denken.
In 2017, das als ätherische Referenz an die sphärische Julia Holter arbeitet, indem geloopte und gesampelte Stimmen als Klangfarbe dienen, bis ein pumpender Rhythmus eher Streicheleinheit denn Club-Tauglichkeit transportiert, wird die subversive Bandbreite des Albums überdeutlich, doch kanalisiert sich vieles – insgeheim womöglich gerade die letztendlich nicht von Romantic Piano erfüllten Wünsche an das Viertwerk von Margaret? – im Herzstück der Platte, wenn City Song im Hall badend ein voll ausformuliertes Indie-Folk-Kleinod durch das Ambient-Pop-Arrangement-Prisma samt sanft pulsierender Percussion und grazilem Gesang entrückt, von Grouper im Trespasser Williams-Modus davon fantasieren lässt, wie grandios Margaret eine so konventioneller ausgerichtetes Song-Format doch flächendeckend wieder stehen würde – und so womöglich auch die in vielerlei Hinsicht anziehende unerreichbare Sehnsucht die konturlos angedeutete Magie von Romantic Piano mitträgt.
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