Genghis Tron – Dream Weapon
Kein Comeback, sondern ein ziemlich radikal-konsequenter Reboot: Genghis Tron sind auf Dream Weapon nicht mehr die selbe Band, wie auf dem Vorgängeralbum Board Up the House im Jahr 2008.
Zu zwei Viertel trifft das buchstäblich alleine personell auf das nunmehrige Quartett zu. Die Drummachine hat ihren Job an Baptists– und Sumac-Drummer Nick Yacyshyn verloren, anstelle von Keyboarder und Sänger Mookie Singerman ist nun Tony Wolski hinter dem Mikrofon – dessen Band The Armed mittlerweile übrigens weitaus mehr nach den klassischen Trademarks der ersten beiden Genghis Tron-Alben klingt, als es Dream Weapon tut.
Es gibt im Verlauf dieser 45 Minuten schließlich (bis auf ganz wenige Tendenzen im Hintergrund) keinerlei Geschrei, keine Blastbeats oder patentierten Nintendocore-Ausbrüche (was an sich eine gute Idee ist, wenn man den doch angestaubten Charakter der Horse the Band–Rückkehr betrachtet), keinen Metal oder Grindcore. Stattdessen erfinden die beiden Stammmitglieder Hamilton Jordan und Michael Sochynsky den Sound von Genghis Tron im merklich gedrosselten, aber mit einem beinahe tanzbaren Drive ausgestatteten Tempo als Amalgam im progressiven Space- und synth-getriebenen, experimentellen Krautrock neu.
Dream Weapon folgt Jam-Strukturen, in denen der Weg das Ziel ist, es keine intensiven Klimaxe oder erlösenden Zuspitzungen geben wird. Dies nimmt dezidiert in Kauf, Erwartungshaltungen konfrontativ zu enttäuschen – und selbst, wenn diese erfolgreich untertaucht werden sollten, ein unbefriedigendes Gefühl einer nicht ziellosen, aber niemals ankommenden Reise in die hypnotische Trance zu erzeugen: Selbst der Rausch soll nebulös und wattiert bleiben, kein Druck entsteht durch Härte, Kurt Ballou dreht die Schrauben auf deliranter Ebene eng.
Exemplarisch dafür steht das Titelstück, genau genommen der noch am nähesten zum angestammten Klangbild der ersten beiden Studioalben tendierende Song, wenn die Drums poltern und kurbeln, die subversiven Gitarren mehr aufs Gas drücken, und in den Texturen Backingvocals von Wolski fauchen und keifen – die dann symptomatisch aber zu verschwinden beginnen, wenn der Song sich seinem Katharsis-Finale zuwendet, oszillierend transzendiert und der halluzinogen-oszillierende Mathrock auf verträumt-verwaschene Vocals setzt. Da kann Yacyshyn noch so federnd die sanfte Komplexität treiben.
In der gesanglichen Performance liegt dann auch die ambivalente Wirkung einer Platte, die eher ein Triumph der Intention ist – weil sie eher mit der Ambition, sich der paradigmenwechselden Evolution voll und ganz zu verschreiben überzeugt, als mit den dabei artikulierten Ergebnissen: Der latent in die psychedelische Behutsamkeit entrückte, ständig sphärische Singsang von Wolski ergänzt sich ganz ausgezeichnet mit der neuen Ausrichtung der Band, verleiht ihr auf Dauer allerdings auch etwas unverbindliches, weil die Hooks und Melodien gefühlt viel zu gleichförmig den immer selben Mustern folgen, nur selten kraftvoll zupackend individuell aus dem restlichen Klangbild aufzeigen wollen, sondern das Geschehen vage streifen, elegisch begleitend. Ein erfüllender gesetzter Twist wie in Pyrocene (das auf einen vertrackten Groove und düstere Keyboards gebaut ist, sich Zeit nimmt und auf jede Aggression verzichtet, sich langsam aufbaut und verdichtet, um die somnambulen Spannungen mit einer nostalgischen Versöhnlichkeit in der allgegenwärtigen Melancholie aufzulösen) ist insofern ein willkommener Akzent.
Auch wenn klassische Songwriting-Prozesse und Strukturen für Genghis Tron in umgekehrt proportionaler Sichtweise als auf den beiden ersten Alben keine Priorität haben, liegt hier durchaus noch Optimierungspotential.
Dennoch steht die neue Ästhetik, die reifere und in sich (un)ruhendere Gangart der Band wirklich ausgezeichnet. Lässt man sich auf (das wohl erst live wirklich packend zündende) Dream Weapon ein, entfaltet sich ein kohärenter Trip, der über die flächigen, nachdenklichen Ambient-Intermezzi Exit Perfect Mind und Desert Stairs atmosphärisch zusätzlich verdichtet wird.
Da brutzelt in Alone in the Heart of the Light die minimalistische Elektronik, in die das physische Schlagzeug mit progressivem Spiel einsteigt, ritualistisch und cinematographisch Assoziationen wie eine Übernahme der Secret Machines durch Matt Tong entstehen. Noch griffiger werden diese Referenzen in Ritual Circle, wenn 80er-Keyboarde zu einem zügigen, aber nicht zu straighten Beat mit dem Synthwave flirten, um dann mit spaciger Konzentration über zehn Minuten in einem ätherischen Klangkosmos zu baden. Single Black Point ist weniger eine Song-Komposition, als eine homogene Versuchsanordnung, wie ansatzlos fließend die Übergänge zwischen organischer und technisierter, zwischen analoger und digitaler Musik sein können, bevor Great Mother aus den Lehren von Vangelis und John Carpenter oder Jean Michel Jarre zu wuchtigen Kaskaden jenseits von Stranger Things aufgetürmt wird, die dann doch noch eine subversive Heaviness spürbar werden lassen. Das ändert nichts daran, dass Dream Wapon praktisch die konsequente Antithese zum hyperventilierenden Chaos der ersten Inkarnation von Genghis Tron darstellt – und nach dreizehn Jahren Pause auch irgendwo eher als das erste Lebenszeichen einer anderen, neuen Band durchgehen könnte, deren weiteren Weg man jedoch durch die soghafte Reizwirkung der Musik gespannt mitgehen will.
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