Gatherers – ( mutilator. )
Worship and Tribute and Déjà Entendu, in mehrerlei Hinsicht: Die Elektriker von Gatherers schrauben den auf We Are Alive Beyond Repair forcierten Pre-Keep You-Aspekt in ihrem Post Hardcore/ Emo-Geflecht zurück, um sich mit ( mutilator. ) anzuschicken im Schatten von Glassjaw und Brand New zu sonnen.
( mutilator. ) ist das inzwischen vierte Studioalbum der Band aus Bayonne in New Jersey – es fühlt sich jedoch in vielerlei Hinsicht wie ein Debütalbum an. Was letztendlich bei aller Liebe doch vor allem negativ zu verstehen ist.
Zum einen liegt das natürlich daran, dass Gatherers sich ohne jedes Schamgefühl demonstrativauf besagtem assoziativen Referenz-Seiltanz zwischen Glassjaw und Brand New austoben: Das vom elegischen Leiden zur giftig angetriebenen Wut wechselnde Massalette mit seiner Bridge, die sich als finaler Mantra-Anstieg entpuppt, oder (das den Gastauftritt von Geoff Rickly nahezu unbemerkt verschenkende) Gift Horse mit seiner Reibungsfläche aus rhythmisch rumorendem Stoizismus, manisch nach innen gerichteter Garstigkeit und hymnisch aufmachenden Melodiebögen unter einer destruktiven Ader, scheinen etwa ungefiltert nach den Grundsätzen der Band von Daryl Palumbo und Justin Beck erschaffen, derweil das düster grummelnd-zappelnde Black Marigold mit seiner harmonischen Texturreichhaltigkeit klingt, als wäre die Essenz von Golgotha mit der Substanz von Ästhetik von Degausser oder Garden Window aufgewogen worden. Das sich immer weiter verdichtende Boxcutter könnte dagegen eine juvenil-atmosphärische Jesse Lacey-Kontemplation sein, derweil Honey on the Marrow die Klarheit von Deja Entendu dort aufplatzen lässt, wo Jason Aalon Butler nach letlive. nicht mehr war – und auch wieder durch die bittersüßen choralen Facetten gewinnt, die Courtney Swain (Bent Knee) und Dan Lambton (rationale., Ex-Real Friends) auf der Gästeliste einer ebenso wütenden wie me mancholischen Platte beisteuern.
Diese unbedingten Assoiationen adeln ( mutilator. ) sicherlich auch und gewährleisten automatisch eine direkte Verbindung für eine breite Hörerschaft samt emotionaler Verbundenheit, doch sind sie auch insofern ein Problem, als dass die adaptierten Tugenden der Vorbilder unerreichbar bleiben: Während man aufgrund so mancher deckungsgleicher Aktionen stets auf die genialen Ideen wartet, die aus tollen Nummern wirklich überragende machen – und für die die Blaupausen der Gatherers nunmal stets gut waren! -, bleiben Adam Cichocki, Matt Popowski, Austin Lipinski, Gianmarco Felix Guerra-Coletti und Rich Weinberger dieses letzte Quäntchen Geistesblitz schuldig.
Was dann auch zum zweiten Manko der Platte führt, welches sich von Schwächen im (Abschluß des) Songwriting bis zum daraus resultierenden Sequencing zieht: Vor allem in der ersten Hälfte der Platte wirkt jede Nummer schlichtweg zu kurz bemessen und nicht mit der nötigen Geduld ausformuliert (was gerade insofern auch frustrierend ist, wenn man besenkt, dass die ersten Single-Vorboten der Platte bereits 2 Jahre auf dem Buckel haben!). Bis hin zum besonders abrupt beendeten Doppel aus Spine (einer in sich gehenden Atempause an der Grenze zum Interlude) und dem flott-rockigen, straight agierenden Suffocator entlässt praktisch jede Nummer unbefriedigend in der Luft hängen lassend, zieht zu unmittelbar den Stecker, zumal durch die raschen Abblenden nie der Eindruck entsteht, es mit mehr als einer homogenen Reihe an Einzelsongs zu tun im holprigen Spannungsbogen zu tun zu haben.
Diese (vom Detail auf das große Gesamte übergreifenden) Unausgegorenheit verhindern dann auch das wirklich überwältigende Momentum – wüsste man es nicht besser, würde man diesen Umstand gar auf einen noch mangelnden Erfahrungsschatz und Reifeprozess zurückführen, weil eine übermütige Newcomer-Band unbedingt raus aus dem Studio und auf die Straße will, unüberlegt und unsortiert handelnd, anstatt das tatsächliche Potential der erschaffenden Rohdiamanten auszukosten.
Kritikpunkte, die auch insofern relativ zu verstehen sind, weil die zweite Hälfte der Platte dahingehend so eklatant viel besser macht als die erste, und aufzeigt, was im Verbund aus den flächendeckend starken Hooks und einer funkensprühend-hingebungsvollen Performance mit etwas mehr Feinschliff möglich gewesen wäre.
Das Highlight Ad Nauseam, I Drown (das frickelig-zappelnd und hibbelig zupackend seine Katharsis als grandiose Post-Rock/Harcore-Symbiose abrundet) leitet eine Phase ein, in der ( mutilator. ) ganzheitlicher angelegt ist, die Songs mehr Räume und auch Zeit bekommen. Last Days Numbered on a Rotary Dial lässt seine Gitarren als sorgsam versponnene Figuren schleichen und löst den Knoten mit der nötigen Tragweite auf (jedoch dennoch für sich alleine stehend wieder die Frage aufwerfend, wem hätten vier, fünf Sekunden Ausschnaufen am Ende wehgetan, ohne die Dringleichkeit zu beschneiden?) um vom Finale der Platte mitgetragen zu werden: Tourniquet (For Luck) blüht melodisch in der harmonischen Gemeinschaft auf, intoniert androgyn zwischen The Used, Finch und Thursday, um sich in ein atmosphärisches Outro zu betten, aus dem Twelve Omaha Solemn Certainty in akustischer Zurücknahme verträumt erwacht und über eine stoische Heaviness anmutig verklingt. Da macht auch die manchmal etwas indifferente akzentuierte Produktion nichts.
Unter dem Strich bedeutet dies, dass das größte Problem der absolut kurzweilig verfliegenden 35 Minuten jenes ist, dass Gatherers „nur“ ein sehr gutes Album zusammengestellt haben, dass eben zu jeder Sekunde mit herzblutender Leidenschaft keinen Zweifel daran lässt, dass es auch ein wirklich fabelhaftes sein hätte können – im Idealfall eventuell sogar den qualitativen Schulterschluß zu seinen Vorbildern findend. Daher das schmissig unterhaltende ( mutilator. ) aber ungeachtet seiner offenkundig zu dechiffrierenden Agenda auch auf Heavy Rotation reizvoll bleibt, stehen die Chancen allerdings womöglich ja gar nicht so schlecht, nach einer stürmischen Kennenlernphase und der nötigen Geduld über den Eindruck des begeisterungsfrei an der Stange haltenden Methadonprogramms hinauszuwachsen.
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