Garish [27.10.2018: Austrovinyl, Fehring]
Im intimen Rahmen gibt es im oststeirischen Fehring einen Ausblick darauf, dass nach über zwei Jahrzehnten Bandhistorie und 7 Studiolangspielern die Zeit reif für das erste Livealbum von Garish ist.
Unter dem Titel Rosen und Applaus: Die Uzlop Bänder hat die burgenländische Indiepop-Institution deswegen ihr Konzert vom 3.6.2018 in der Osliper Cselley Mühle aufgenommen. Erscheinen wird dieses physisch in einer (offiziell) auf 300 Stück limitierten Vinylauflage, deren Herstellung wiederum das in Fehring ansässige Unternehmen Austrovinyl übernommen hat – seit knapp einem Jahr Österreichs einziger wieder aktiver Produktionsstandort von Schallplatten.
Eben dorthin laden Garish, Ink Music und Austrovinyl, um die Tonträger-Geburt von Rosen und Applaus entlang eines Abends zu verfolgen, der im weitesten Sinne den Prozess vom Ausgangsmaterial zur finalen Vinylplatte nachzeichnet und den Kreis daraufhin mit einem abschließenden Konzert im überschaubaren Kontext schließt.
In dieses Programm startet eine Führung der drei Firmen-Köpfe Peter Wendler, Johann Fauster und Johann Koller durch ihr junges Unternehmen, begleitet von Hintergrundgeschichten und Anekdoten rund um die grundlegenden und zukünftigen Ambitionen von Austrovinyl – unter überraschend heimeligen Rahmenbedingungen.
Denn auch wenn die Produktion in Fehring mutmaßlich ebenso professionell abläuft wie in größeren, längerdienenden Betrieben, strahlt das Ambiente des umgebauten 300 jahre alten Wohnhauses in der Steiermark schließlich keineswegs die klinische Sterilität aus, die man etwa aus der Sendung mit der Maus kennt. Stattdessen herrscht hier ein geradezu familiäres Klima, das sich auch am gemütlichen Ausklang des Abends zeigen wird. Die Herren (samt mihelfenden Familienmitgliedern) von Austrovinyl präsentieren sich als absolut sympathische Gastgeber, sind motiviert und freundlich, beantwortet auch bereitwillig etwaig offen gebliebene Fragen. Gerade dort, wo die theoretischen Ausführungen des Produktionsprozesses ruhig auch noch etwas ausführlicher ins Detail gehen und gerne jeder Herstellungsschritt an laufenden Maschinen verdeutlicht hätte werden dürfen.
Nichtsdestotrotz ist die kurzweilige Führung interessant und von einem improvisierten Charme getragen, der auch der Tatsache Stand hält, dass die knapp 30 angereisten Besucher bei dem Rundgang durch das Gebäude den einen oder anderen Raum die vorhandenen Kapazitätsgrenzen ein wenig überschreiten lassen. Die mit viel Liebe präsentierte Quasi-Pioniertätigkeit von Austrivinyl derart greifbar aufbereitet zu bekommen, ist jedenfalls eine feine Sache, ein Besuch in Fehring deswegen jedem Musikliebhaber zu empfehlen.
Nachdem am Ende der Besichtigungstour 25 zusätzliche Vinylexemplare von Rosen und Applaus ausgespuckt sind, ist dennoch das zweiteilige Acousticset von Garish das Highlight des Abends.
Im spartanischem instrumentalen Gewand gibt es mit drei Nachttischlampen als Lichtshow (ansonsten aber mehr oder minder ohne elektronische Verstärkung) im Wohnzimmerfeeling einen Streifzug durch alle Phasen der Bandgeschichte. Hits ala Ganz Paris oder Den Göttern Egal und Klassiker wie das launige Unglück Trägt den Selben Namen (mit locker gepfiffener Nonchalance anstelle schwelgend ausartenden Instrumentariums) erzeugen durch die unmittelbare Nahbarkeit der Performance einer spielfreudig aufgelegten Band und der tatsächlichen Distanzlosigkeit zum Publikum eine ganz eigenen Intensität, noch direkter und intimer als selbst bei Clubshows in der kleinsten Location. Immer wieder packen Garish die Gänsehaut aus, etwa wenn Dann Fass Ich Mir ein Herz hinten raus noch einmal majestätisch anschwillt, 32 Grad oder Wenn Dir das Meine Liebe Nicht Beweist über die fantastisch zusammengreifenden Gesangsharmonien des Quartetts packend wachsen, oder der obligatorische Abschluss mit Junge Römer eine nette kammermusikalischen Streicherpointe als Finale bekommt.
Vor allem schaffen es Garish durch einen ungezwungenen Zugang eine beinahe freundschaftliche Atmosphäre und Dynamik in dem nicht unstickig zweckentfremdeten Raum zu erzeugen, die direkt vor der Publikum positioniert keine Barrieren überwinden muss. Instrumente werden untereinander getauscht, tolle Musiker sind sie alle, der Schmäh rennt auch – ein Abend aus dem Bauch heraus also, der offenbar allen Beteiligten Spaß macht. Einen Fan hölzern mitpfeifen und holprig textsicher als Begleitung zu einzelnen Songs zu hören, ist zwar trotzdem eine nicht unbedingt notwendige Begleiterscheinung archaischer Arrangements, darf aber eben dem allgemeinen wohligen Enthusiasmus einer (alterstechnisch übrigens homogen mit der Band vorangeschrittenen) Besucherschar auf Tuchfühlung zugerechnet werden, die wohl ausnahmslos zufrieden die Heimreise angetreten haben dürfte: Das von Ink Music und Austrovinyl präsentierte Konzept der Veranstaltung ist toll, der Rahmen fein, die Musik grandios – darauf ließe sich auch als wiederkehrendes Event aufbauen.
Einstweilen darf und muss dann letzten Endes Plattitüden von einem außergewöhnlichen Erlebnis und wohl unvergesslichen Konzertereignis bemühen: So stark Garish auf der Bühne ohnedies sind, so speziell zünden die 12 Songs des Abends ohne Bühne in diesem minimalistischen Gewand und Ambiente auf eine ganz eigene Art. Und dass die anlassgebende Platte hinter dem Abend absolut empfehlenswert und die Daten der kommenden Tour nicht nur für Fans Pflichtprogramm sein sollten, versteht sich insofern wohl ohnedies von selbst.
Setlist:
Silber
Bring Mich auf Ideen
32 Grad
Dann Fass Ich Mir ein Herz
Ganz ParisAuf den Dächern
Den Göttern Egal
Spuk
Wenn Dir das Meine Liebe Nicht Beweist
Unglück Trägt den Selben NamenEncore:
Die Wahrheit Ist Davon Krieg Ich Den Mund Nicht Voll
Junge Römer
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